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Vergleichst Du Dich zu oft? 5 Tipps, wie Du Dich vor den negativen Auswirkungen von sozialen Vergleichen schützen kannst.

„Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit.“

Søren Kierkegaard

Ständiges Vergleichen mit anderen Menschen soll nicht gut sein. Das hört man von vielen Seiten, ist irgendwie zur „Küchentischpsychologie“ geworden. Negative Auswirkungen von sozialen Vergleichen wie Unzufriedenheit oder sogar Depression schwirren im Kopf umher. Und dennoch kann man soziale Vergleiche kaum verhindern. Wenn ich darüber nachdenke, in welchen Situationen ich mich zuletzt verglichen habe, fällt es mir nicht schwer, sofort eine Handvoll zu finden: 

  • Heute Morgen überholte mich eine Frau auf dem Rad. Ich habe mich gefragt, ob sie wohl fitter ist als ich. 
  • Letzte Woche sah ich mir alte Fotos an und mir viel plötzlich auf, dass meine Mutter in meinem Alter schon Kinder hatte.
  • Gestern habe ich ein Youtube-Workout gemacht und mich dabei gefragt, wieviel ich trainieren müsste, bis das Ganze so mühelos wirkt wie bei Pamela Reif. 
  • Beim Lesen der Kommentare unter besagtem Workout-Video war ich aber stolz, dass ich weniger gelitten habe als manche andere.

All dies sind Beispiele für soziale Vergleiche. Wir vergleichen uns mit Familie, Freunden, Bekannten, Fremden, sogar Personen, die wie ausschließlich aus den sozialen Medien kennen. Vergleiche ich mich zu oft? Vergleichst Du Dich zu oft? So richtig davor retten kann man sich ohnehin nicht, da die Verfügbarkeit von Vergleichen durch die sozialen Netzwerke wie Instagram, Facebook oder TikTok permanent gegeben ist. 

Ist sozialer Vergleich denn immer schlecht? Wie und mit wem solltest Du Dich vergleichen, mit wem eher nicht? Und wie genau kannst Du das praktisch umsetzen? All diese Fragen versucht dieser Artikel zu beantworten.

Die Theorie der sozialen Vergleiche: Warum vergleichen wir uns überhaupt mit anderen?

Die Theorie der sozialen Vergleiche ist eine der bekanntesten und etabliertesten Theorien aus der Sozialpsychologie1. Sie besagt, dass jeder Mensch – auch Du – einen grundlegenden Instinkt hat, sich mit anderen zu vergleichen. Warum? Um Unsicherheit zu reduzieren. 

Vergleiche helfen uns, die Fragen „Wie gut bin ich?“ und „Was sollte ich denken und tun?“ zu beantworten. Manchmal gibt es objektive Standards, die einem diese Fragen beantworten: Wenn Du im Supermarkt einkaufst, stellst Du Dich in die Schlange an der Kasse und checkst nicht vorher, was andere Leute tun. Jedoch gibt es in vielen anderen Situationen diese Standards nicht. Niemand sagt einem, was man beruflich machen sollte, wer der richtige Partner ist, wann und ob man Kinder haben sollte, ob und wieviel Sport man machen sollte. All das führt zu einer gewissen Unsicherheit, die wir dadurch regulieren, dass wir uns vergleichen. Die Information, die wir durch den Vergleich erhalten, kann uns dann beruhigen (wenn wir sehen, dass andere Leute es so machen wie wir – oder schlechter) oder beunruhigen (wenn sie es besser machen). 

Sozialpsychologen sprechen von Aufwärtsvergleichen, wenn wir uns mit Menschen vergleichen, die in dem interessierenden Bereich „besser“ sind als wir. Bei Abwärtsvergleichenschneiden wir selbst besser ab als die andere Person2

Individuelle Unterschiede: Wer vergleicht sich am meisten?

 Obwohl der Prozess des Vergleichens relativ automatisch in Gang gesetzt wird3, gibt es doch Menschen, die sich mehr vergleichen als andere. Woran liegen diese Unterschiede? 

Eine Übersichtsarbeit zu diesem Thema4 konnte zeigen, dass drei Eigenschaften maßgeblich verantwortlich dafür sind, dass manche Menschen sich mehr vergleichen als andere. Hast Du eine oder mehrere dieser Eigenschaften, so neigst Du wahrscheinlich dazu, Dich öfter und stärker mit anderen zu vergleichen: 

Der selbstaufmerksame Typ: Du denkst oft über Dich nach.

Wie oft beschäftigst Du Dich mit Dir selbst? Machst Du Dir oft Gedanken, was für eine Person Du bist und wie Du sein möchtest? Ich nehme an, dass Dich diese Fragen beschäftigen, sonst würdest Du den Artikel nicht lesen. Vielleicht ist es Dir wichtig, wie Du aussiehst und wie Du von anderen Menschen beurteilt wirst. Kaum jemandem ist das völlig egal. 

Ist es Dir also nicht egal, dann neigst Du dazu, Dich öfter und intensiver mit anderen zu vergleichen4.

Eine weitere Persönlichkeitseigenschaft, die zu häufigen sozialen Vergleichen führen kann, ist Narzissmus4. Menschen, die höhere Werte auf einer Narzissmus-Skala (https://openpsychometrics.org/tests/NPI/) erreichen, sind aktiver in den sozialen Medien als andere5. Dort kann man sich nämlich strategisch präsentieren, um in sozialen Vergleichen besser abschneiden zu können.

Der empathische Typ: Interesse an den Gefühlen und Gedanken anderer Menschen

Jedoch nicht nur wer viel mit der eigenen Person beschäftigt ist, vergleicht sich oft mit anderen. Auch diejenigen, die sich sehr für ihre Mitmenschen interessieren, neigen stärker zu sozialen Vergleichen4. Wenn Du Dich für andere interessierst, dann ist Dir die Meinung der anderen selbstredend nicht egal. In der Konsequenz wirst Du Dich öfter mit deren Ansichten, deren Aussehen, deren Werten vergleichen.

Und auch hier haben wir es wieder mit einer Gruppe von Menschen zu tun, die aktiver in den sozialen Medien ist, da sie ein stärkeres Bedürfnis nach Interaktion mit anderen hat. Wir sehen, dass sich ein interessantes – aber nicht verwunderliches – Muster abzeichnet: Menschen mit einer stärkeren Orientierung zu sozialen Vergleichen nutzen die sozialen Medien öfter.

Der genervte und verunsicherte Typ: Eine Tendenz zu Selbstunsicherheit und negativen Gefühlen

Der dritte Faktor, der die Häufigkeit, mit der Du Dich selbst mit anderen vergleichst, beeinflusst, ist Dein Ausmaß an Selbstsicherheit und Deine Tendenz zu negativen Gefühlen6

Menschen, deren Selbstwert gering ist und die zu Problemen wie Depression, Angst oder Stress neigen, vergleichen sich besonders oft. 

Hier gibt es aber höchstwahrscheinlich einen Unterschied zu Menschen mit Hang zum Narzissmus: Hast Du einen narzisstischen Persönlichkeitsstil (das ist übrigens nicht gleichbedeutend mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung), so tendierst Du eher zu den oben erwähnten Abwärtsvergleichen. Hast Du dagegen einen geringen Selbstwert, wirst Du eher zu Aufwärtsvergleichen tendieren3

Auswirkungen von sozialen Vergleichen auf Deine Psyche

„Vergleich Dich nicht mit anderen.“, „Du bist nicht andere“. 

Diese Ratschläge kommen von meiner Mutter, und wahrscheinlich bringen viele Eltern ihren Kindern das so bei. Verständlich, denn sie wollen nicht, dass das Kind unsicher und unzufrieden wird. Aber machen denn soziale Vergleiche unsicher und unzufrieden? Wenn ja, sind das sehr schlechte Nachrichten für Generation X, Y und Z, da durch die Allgegenwärtigkeit von sozialen Vergleichsmöglichkeiten im Internet die Frage nicht ist, ob man sich vergleicht, sondern wie und wann man sich vergleicht.

Die Forschung erbringt zu diesem Thema folgende Erkenntnisse: 

  1. Wenn Du das Gefühl hast, dass Du schlechter bist als die Person, mit der Du Dich vergleichst (Aufwärtsvergleich), werden negative Gefühle wie Neid, Eifersucht und Traurigkeit ausgelöst7.
  2. Durch Aufwärtsvergleiche, die sich auf Dein Aussehen beziehen, kann eine Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper ausgelöst werden8.
  3. Langfristig können durch Aufwärtsvergleiche Angststörungen oder Depressionen auftreten9.
  4. Menschen, die sich oft vergleichen, sind bei Aufwärtsvergleichen trauriger, aber bei Abwärtsvergleichen zufriedener als Menschen, die sich nicht so oft vergleichen10.
  5. Wenn Du traurig bist und Dich dann vergleichst, fühlst Du Dich (Überraschung!) bei Aufwärtsvergleichen schlechter, aber bei Abwärtsvergleichen besser.
  6. Wenn Du dagegen zufrieden bist, haben Vergleiche (egal ob aufwärts oder abwärts) einen viel geringeren Einfluss auf Deine Psyche11.
  7. Unzufriedene oder leicht depressive Personen vergleichen sich öfter als zufriedene Personen12.

Wir sehen: Ein gemischtes Bild zeichnet sich ab. Soziale Vergleiche können negative, ja sogar verheerende Auswirkungen haben. Sie können aber auch neutral bis positiv sein. Es wird Zeit, ein wenig konkreter zu werden. Was kannst Du denn nun aus diesen Befunden machen? Was kannst Du konkret im Alltag umsetzen?

5 Tipps: Wie kannst Du Dich vor den negativen Auswirkungen sozialer Vergleiche schützen?

Lass uns die Forschungsbefunde zusammenführen in eine praktische Anleitung, wie Du am besten mit dem Thema „soziale Vergleiche“ umgehen kannst. Hier sind fünf Tipps:

Tipp 1: Achte auf Deine Stimmung: Vermeide Aufwärtsvergleiche, wenn es Dir nicht gut geht!

Wir wissen: Wenn wir schlecht drauf sind, dann verschlechtern Vergleiche mit Menschen, die wir als besser, fähiger, schöner, schlauer oder glücklicher erachten, unsere Stimmung11. Daher vermeide solche Vergleiche. Das ist nicht einfach, denn wir wissen ebenfalls, dass wir uns öfter vergleichen, wenn wir schlecht drauf sind. 

Dabei stellt Social Media, v.a. Instagram, ebenfalls ein Problem dar, denn dort erscheinen alle anderen als besser, schöner, erfolgreicher. Das liegt daran, dass es bei Instagram speziell zum Charakter der Platform gehört, die Realität mit einem Positivitätsfilter zu versehen. Wir haben in den sozialen Medien zudem wenig Kontrolle darüber, was und wen wir sehen. Daher sind Aufwärtsvergleiche hier besonders wahrscheinlich. 

Hieraus resultiert die etwas radikalere, aber effektive Maßnahme bei schlechter Stimmung: 

Tipp 2: Vermeide Social Media, wenn es Dir nicht gut geht!

Hör alternativ vielleicht ein Hörbuch oder einen Podcast oder geh in die direkte soziale Interaktion mit Freunden oder Familie.

Tipp 3: Mache aus destruktivem Neid konstruktiven Neid!

Wenn Du bemerkst, dass soziale Vergleiche Dir ein negatives Gefühl geben, dass Du Dich minderwertiger fühlst, dass Du vielleicht sogar Neid verspürst, dann hat sich folgende Strategie bewährt:

Neid entsteht, wenn eine Person etwas hat oder macht, was Du auch gerne hättest oder machen würdest. Wenn Du nun missgünstig wirst und der Person diese Sache nicht gönnst, ist der Fachbegriff dafür destruktiver Neid. Aber: Wenn Du nun versuchst, aus dieser Sache, um die Du die Person beneidest, Inspiration zu ziehen, dann hast Du diesen destruktiven Neid in konstruktiven Neid umgewandelt. Diese Inspiration kann entstehen, wenn Du herausfindest, wie die Person dorthin gekommen ist und wie Du das auch schaffen kannst. Konstruktiver Neid ist eine motivierende Emotion, deren Effekt Du für Dich nutzen kannst. Forschungsergebnisse zeigen zum Beispiel, dass konstruktiver Neid dazu führt, dass man öfter das Erlebnis einer Inspiration verspürt13.

Je öfter Du übst, destruktiven Neid in konstruktiven Neid umzuwandeln, desto besser wird es funktionieren. Bald wirst Du bemerken, dass Du Dich zwar nicht weniger vergleichst, aber dass diese Vergleiche Dir eher positive Energie und Motivation geben und nicht Deine Laune trüben und Dir Energie entziehen14.

Tipp 4: Sei achtsam! Achtsamkeit bekämpft die negativen Auswirkungen von sozialen Vergleichen.

Wenn wir uns vergleichen, dann sind wir nicht achtsam. Das zeigt sich daran, dass wir häufig den Kontext eines Vergleichs nicht berücksichtigen. Zum Beispiel macht es für Dich relativ wenig Sinn, Dich mit einem Fitness-Influencer zu vergleichen, wenn fit zu sein der Hauptberuf des Influencers ist und für Dich dagegen nur ein „Nice to have“. Ein zweites Indiz dafür, dass wir nicht achtsam sind, ist die Tatsache, dass wir ohne genauer darüber nachzudenken die Kriterien akzeptieren, auf denen dieser Vergleich beruht. Zum Beispiel macht es durchaus Sinn, zu hinterfragen, ob man wirklich (so wie der Nachbar) ein neues, dickes Auto vor dem Haus stehen haben möchte, ob das wirklich ein Zeichen von Erfolg und Glück ist. 

Forschungsergebnisse legen nahe, dass wir durch Achtsamkeitstraining weniger anfällig für die negativen Konsequenzen sozialer Vergleiche werden15. Also: Trainere Achtsamkeit. Mach zum Beispiel eine Atem-Meditation (es gibt diverse Apps, zum Beispiel Headspace; aber auch viele Youtube-Videos) oder versuche, achtsam im Moment zu sein, zum Beispiel während des Essens.

Tipp 5: Wenn alles nichts hilft: Gezielter Abwärtsvergleich

Dies ist eine Technik, die ich schon oft in der kognitiven Therapie in der Arbeit mit depressiven Patienten angewendet habe. 

Wenn Du Dich wieder und wieder bei Vergleichen mit anderen ertappst und selbst dabei immer schlecht wegkommst, dann ist diese Technik vielleicht etwas für Dich.

Versuch zunächst herauszufinden, hinsichtlich welcher Dimension Du Dich vergleichst. Typische Dimensionen: 

  • Erfolg in der Liebe
  • Schönheit
  • Fitness
  • Reichtum
  • Beliebtheit

Ich bin mir sicher, es fällt Dir leicht, gleich ein paar Menschen zu nennen, die hinsichtlich der Dimension besser abschneiden als Du. Nun versuche zur Abwechslung mal, Dir eine Handvoll Menschen zu überlegen, die hinsichtlich dieser Dimension gleich oder schlechter abschneiden als Du. Das können Freunde, Bekannte, Fremde oder auch Personen des öffentlichen Lebens sein. Durch diese kleine Intervention wird Dein Negativitätsfilter etwas korrigiert. Vielleicht gelingt es Dir auch gleichzeitig, die Dimension etwas in Frage zu stellen. Was bedeutet denn „Erfolg“ oder „Reichtum“ für Dich genau? Weitere Informationen zu dem Geheimnis von Menschen, die sich als erfolgreich und glücklich beschreiben, findest Du hier.

Literatur

[1] Festinger, L. (1954). A theory of social comparison processes. Human Relations, 7, 117–140. 

[2] White, J. B., Langer, E. J., Yariv, L., & Welch, J. C. (2006). Frequent social comparisons and destructive emotions and behaviors: The dark side of social comparisons. Journal of adult development13(1), 36–44.

[3] Chae, J. (2017). Virtual makeover: Selfie-taking and social media use increase selfie-editing frequency through social comparison. Computers in Human Behavior66, 370–376.

[4] Buunk A. P., & Gibbons F. X. (2007). Social comparison: The end of a theory and the emergence of a field. Organizational Behavior and Human Decision Processes, 102(1), 3–21. 

[5] Halpern, D., Valenzuela, S., & Katz, J. E. (2016). “Selfie-ists” or “Narci-selfiers”?: A cross-lagged panel analysis of selfie taking and narcissism. Personality and Individual Differences97, 98–101.

[6] Mehdizadeh, S. (2010). Self-presentation 2.0: Narcissism and self-esteem on Facebook. Cyberpsychology: Journal of Psychosocial Research of Cyberspace, 13, 357–364.

[7] Fox, J., & Moreland, J. J. (2015). The dark side of social networking sites: An exploration of the relational and psychological stressors associated with Facebook use and affordances. Computers in Human Behavior45, 168–176. 

[8] Fardouly, J., & Vartanian, L. R. (2016). Social media and body image concerns: Current research and future directions. Current Opinion in Psychology9, 1–5.

[9] Appel, H., Gerlach, A. L., & Crusius, J. (2016). The interplay between Facebook use, social comparison, envy, and depression. Current Opinion in Psychology9, 44–49. 

[10] Gibbons, F. X., & Buunk, B. P. (1999). Individual differences in social comparison: development of a scale of social comparison orientation. Journal of personality and social psychology76(1), 129–142.

[11] Lyubomirsky, S., & Ross, L. (1997). Hedonic consequences of social comparison: a contrast of happy and unhappy people. Journal of personality and social psychology73(6), 1141–1157.

[12] Wood, J. V., Michela, J. L., & Giordano, C. (2000). Downward comparison in everyday life: Reconciling self-enhancement models with the mood–cognition priming model. Journal of Personality and Social Psychology79(4), 563–579.

[13] Meier, A., & Schäfer, S. (2018). The positive side of social comparison on social network sites: How envy can drive inspiration on Instagram. Cyberpsychology, Behavior, and Social Networking21(7), 411–417.

[14] Van de Ven, N., Zeelenberg, M., & Pieters, R. (2009). Leveling up and down: the experiences of benign and malicious envy. Emotion9(3), 419–429.

[15] Langer, E., Pirson, M., & Delizonna, L. (2010). The mindlessness of social comparisons. Psychology of Aesthetics, Creativity, and the Arts4(2), 68–74.

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