Arbeit,  Blog

11 Tipps, wie Du Erkenntnisse der kognitiven Psychologie nutzt, um dein Studium mit Auszeichnung abzuschließen

Jedes Jahr beginnen tausende von Studenten an riesigen Universitäten ihr Studium. Meist sitzen sie in großen Vorlesungssälen, hören sich lange Vorlesungen an, in denen eine Menge Stoff präsentiert wird. Nach einem halben Jahr (!) wird dann das gesamte Wissen dieser Vorlesung selektiv abgeprüft. Und das nicht nur in einem Fach. Die „Klausurenphase“ ist meist eine kurze – vielleicht maximal dreiwöchige Phase, in der pro Woche zwei Klausuren geschrieben werden. 

All das ist fundamental anders als man das aus der Schule, Ausbildung oder anderen Settings gewöhnt ist. Lernstrategien, die in der Schule funktioniert haben, allen voran das sogenannte Bulimie-Lernen am Abend vor einer Prüfung, was in der Schule oftmals funktioniert hat, ist hier zum Scheitern verurteilt. 

Wie schaffst Du es, nicht unterzugehen? Wie kannst Du es in dieser riesigen Institution der Universität, in der das Verhältnis zu Lehrpersonen denkbar unpersönlich ist, schaffen, die Kontrolle wiederzuerlangen? Wie kannst Du zu einem der besten Studenten Deines Jahres werden? 

Es gibt keinen Grund zu verzweifeln! Dein Studium zu rocken ist einfacher als Du denkst.

Warum scheitern viele Studierende?

Lass uns zunächst einmal das Beispiel von Evelyn ansehen, das verdeutlichen soll, wie es nicht funktioniert: 

Evelyn ist 20 Jahre alt und studiert Psychologie im ersten Semester. Das erste Semester ist schneller rumgegangen, als sie es erwartet hat. In einer Woche stehen die ersten Klausuren an. Evelyn strengt sich sehr an. Seit drei Wochen bleibt sie bis spät in die Nacht auf, liest die Literatur zu den Vorlesungen, markiert sich Abschnitte im Textbuch, schaut sich die Vorlesungsfolien an, markiert dort die wichtigsten Dinge. Sie hat bereits während des Semesters während des Lesens Zusammenfassungen der Buchkapitel geschrieben, die sie sich nun wieder durchliest. Am Abend vor der Klausur bleibt sie besonders lange wach, liest sich noch einmal die markierten Stellen durch. Eine Woche später ist sie erstaunt, als sie erfährt, dass sie die Klausur mit einer 3,0 bestanden hat. In der Schule hat sie immer zu den Besten gehört und nun hat ihre Mühe nur so wenig gebracht? Was hätte sie anders machen können? 

Forschungsarbeiten zu den Lernstrategien von Studenten zeigen, dass manche Strategien, die auch Evelyn anwendet, besonders beliebt sind: 

  • Viele Studenten heben Abschnitte beim Lesen farbig hervor
  • Für über 80 {299f051e7fb0bd512454dec2a37aa34d92d533d5b7668c62855025232e45be8b} aller Studenten stellt das wiederholte Lesen ihrer Notizen die beliebteste Form des Lernens dar1

Achtung: Diese Strategien fressen viel Deiner Zeit, führen aber oft nicht dazu, dass Du den Stoff behältst.2

Wie kannst Du es schaffen, erfolgreich zu studieren?

Mittlerweile gibt es verlässliche Hinweise darauf, welche Lernstrategien funktionieren, und welche nicht. Viele der wirksamen Strategien scheinen auf den ersten Blick kontraproduktiv und werden daher noch immer von sehr wenigen Studenten angewandt. Die folgenden Schritte basieren auf Forschungsergebnissen aus der Kognitionspsychologie und Erfahrungsberichten von Dozenten an der Universität. 

1. Stell Dir Fragen über ein Kapitel bevor Du es gelesen hast!

Das mag zunächst kontraintuitiv klingen. Warum solltest Du Dir Fragen zu unbekanntem Stoff stellen? Das hat einen einfachen Grund: Wenn Du versuchst, vorher Fragen zu beantworten, aktivierst Du verwandtes Wissen, welches Du dann beim Lesen mit dem neuen Wissen verknüpfst. Du erinnerst auf diese Weise viel besser. Probiere es aus!

2. Schreibe keine Zusammenfassung während des Lesens!

Zusammenfassungen nehmen viel Zeit in Anspruch2. Sie bieten keinen direkten Lernmehrwert, da Du Dich oft stärker auf die Formulierung konzentrierst als auf den Inhalt und auch oftmals nicht Deine eigenen Worte gebrauchst, sondern Formulierungen aus dem Buch. Auch wenn alle Deine Kommilitonen Zusammenfassungen schreiben: Sei mutig und verzichte darauf!

3. Stell Dir Fragen zum Stoff während des Lesens! Schreib Dir diese auf!

Das können Quizfragen sein wie „Welche Gedächtnissysteme hat der Mensch?“. Diese solltest Du Dir aufschreiben, um sie Dir immer wieder stellen zu können und so Dein Wissen vertiefen zu können. Wichtig sind aber auch Fragen wie „Was an diesem Abschnitt war neu für mich?“. Durch solche Fragen verknüpfst Du altes Wissen mit neuem Wissen. Dieser Prozess nennt sich Elaboration und führt dazu, dass Du den Inhalt besser behältst.3

4. Verwende die LEU-Taktik: Lies, erinnere, überprüfe!

Schreib Dir nach dem Lesen eines Abschnittes oder Kapitels auf, was Du erinnerst. Überprüfe dann im Text, was Du vergessen hast. Diese Strategie ist hocheffektiv und hilft Dir enorm beim Einspeichern und nachhaltigen Erinnern von Lerninhalten.4

Auch wenn diese LEU-Taktik am Anfang mehr Anstrengung erfordert als ein bloßes Markieren wichtiger Textstellen, hat sie zwei große Vorteile:  Du lernst das Material sofort, noch beim Lesen und Du bemerkst, auf welche Inhalte Du ein besonderes Augenmerk richten solltest (nämlich die, die Du oft vergisst).

5. Lies das Kapitel vor der Vorlesung und geh zu jeder Vorlesung!

Viele Studenten gehen nicht zu den Vorlesungen, da sie denken, dass dort sowieso nur das Buchkapitel referiert wird. Das mag in manchen Fällen zutreffen, aber – selbst wenn – ist eigentlich eine gute Sache!

Wenn Du Das Kapitel zuvor mithilfe der LEU-Taktik gelesen hast, wird Dir der Stoff in der Vorlesung noch relativ präsent sein. Du nimmst ihn nun noch einmal auf, aber nicht visuell, sondern auditiv – also mit den Ohren. Durch diese neue Modalität wird der Stoff noch einmal tiefer verankert. Außerdem wird der Stoff vielleicht in der Vorlesung auf eine andere Art erklärt als im Buch, was wiederum das Lernen fördert. 

6. Lass Deinen Laptop und Dein Handy in der Tasche!

Multitasking mit Laptop und Handy behindert Dein Lernen, da die Ablenkungen durch soziale Medien oder das Internet deine Gedächtniskapazität beeinträchtigen. Wenn Du Dir Notizen machen willst, mach das handschriftlich. Denn Studenten, die handschriftliche Notizen machen, erinnern mehr als Studenten, die Notizen auf dem Laptop machen7. Das Problem bei den Notizen auf dem Laptop ist, dass Du mehr in kürzerer Zeit tippen kannst und daher weniger die Notwendigkeit besteht, die Inhalte kurz und in deinen eigenen Worten zusammenzufassen. Genau das ist aber viel effektiver zum Lernen.

7. Nach der Vorlesung: Komm noch am selben Tag zurück zum Stoff!

Es ist normal, dass Du Dich nicht nonstop mit dem Lernstoff beschäftigen kannst. Dennoch empfehlen wir Dir dringend, noch am selben Tag der Vorlesung abends für eine halbe Stunde Deine Notizen aus der Vorlesung nochmal hervorzuholen. Füg Information hinzu, die Du in der Kürze der Zeit nicht aufgeschrieben hast. Schreib Dir auch hier wieder Fragen auf, idealerweise an Stellen, wo Du etwas nicht ganz verstanden hast oder der Professor zu schnell war.

Wenn Du mehr Zeit hast, versuche die Inhalte der Vorlesung aus dem Kopf zu erinnern und das, was Du nicht erinnerst mithilfe der Literatur zu beantworten. Auch hier ist wieder Elaboration das Stichwort.

8. Nutze den Spacing-Effekt!

Einer der machtvollsten Lerneffekte ist der Spacing-Effekt. Wenn Du diesen Effekt verstanden hast, verstehst Du auch, warum Du die Dinge, die Du in der Nacht vor der Klausur gelernt hast, so schnell wieder vergisst.

Der Spacing-Effekt tritt ein, wenn Du das Lernen des Stoffes über die Zeit verteilst. Wenn Du dieselbe Sache über die Zeit verteilt lernst, weist Du Dein Gehirn immer wieder auf die Wichtigkeit dieser Sache hin. Du erinnerst den Stoff um ein Vielfaches besser8. Das Tolle daran ist: Du brauchst nicht mehr Zeit als beim Bulimie-Lernen. Du verteilst die Lernzeit nur anders.

9. Nutze Lerngruppen richtig

Lerngruppen sind dann effektiv, wenn die Elaboration jedes einzelnen Mitglieds erhöht wird, nicht jedoch, wenn es darum geht, gemeinsam Zusammenfassungen zu schreiben oder gemeinsam Texte zu lesen9. Die effektivsten Lerngruppen stellen sich gegenseitig Fragen zum Stoff. So erhöhst Du die Varianz an Fragen, die Du beantwortest und denkst über den Stoff nochmal auf andere Art und Weise nach. Wenn Du Mitglied einer Lerngruppe bist, solltest Du die Lerngruppe unbedingt auf diese Punkte hinweisen.

10. Listen lernen: Nutze Gedächtnisstützen!

Insbesondere beim Lernen von Listen haben sich Gedächtnisstützen bewährt10. Du kannst zum Beispiel Akronyme formen, also Kunstwörter aus den Anfangsbuchstaben der einzelnen Elemente der Liste. Oder Du nutzt Loci, also gedankliche Orte, die Du mit den Elementen aus der Liste verknüpfst. Zum Beispiel kannst Du gedanklich durch Deine Wohnung gehen und dabei auf unterschiedliche Elemente der Liste treffen. Je anschaulicher Du Dir das vorstellst, desto besser kannst Du es erinnern.

11. Achte auf Deinen Lifestyle!

Studieren ist eine schöne und aufregende Zeit. Du triffst interessante Menschen, lernst neue Orte kennen. Natürlich lernst Du nicht ununterbrochen und möchtest auch mal die Zeit genießen. Das sollst Du auch. Um zu den Besten Deines Jahrganges zu gehören, solltest Du aber darauf achten, Deine Zeit zu beschützen. Studieren sollte Deine erste Priorität sein. Dazu gehört es, ausreichend zu schlafen, denn im Schlaf werden die Lerninhalte des Tages verfestigt und im Langzeitgedächtnis abgespeichert11. Lies hierzu auch unseren Artikel zum erfolgreichen Tag.

Beweg Dich ausreichend. Hier geht es nicht um Stunden im Fitnessstudio, sondern moderate regelmäßige Aktivität, vorzugsweise im Freien12

Literatur

[1] Hartwig, M. K., & Dunlosky, J. (2011). Study strategies of college students: Are self-testing and scheduling related to achievement? Psychonomic Bulletin & Review19, 126–134. 

[2] Dunlosky, J., Rawson, K. A., Marsh, E. J., Nathan, M. J., & Willingham, D. T. (2013). Improving students’ learning with effective learning techniques: Promising directions from cognitive and educational psychology. Psychological Science in the Public Interest14, 4–58. 

[3] Wong, R., Lawson, M. J., & Keeves, J. (2002). The effects of self-explanation training on students’ problem solving in high-school mathematics. Learning and Instruction12, 233–262. 

[4] McDaniel, M. A., Howard, D. C., & Einstein, G. O. (2009). The read-recite-review study strategy: Effective and portable. Psychological Science20, 516–522. 

[5] Benjamin, A. S., & Ross, B. H. (2011). The causes and consequences of reminding. In A. S. Benjamin (Ed.), Successful remembering and successful forgetting: A Festschrift in honor of Robert A. Bjork (pp. 71–88). New York, NY: Psychology Press. 

[6] Sana, F., Weston, T., & Cepeda, N. J. (2013). Laptop multitasking hinders classroom learning for both users and nearby peers. Computers & Education62, 24–31. 

[7] Mueller, P. A., & Oppenheimer, D. M. (2014). The pen is mightier than the keyboard: Advantages of longhand over laptop note taking. Psychological Science25, 1159–1168. 

[8] Carpenter, S. K., Cepeda, N. J., Rohrer, D., Kang, S. H. K., & Pashler, H. (2012). Using spacing to enhance diverse forms of learning: Review of recent research and implications for instruction. Educational Psychology Review24, 369–378. 

[9] Putnam, A. L., Sungkhasettee, V. W., & Roediger III, H. L. (2016). Optimizing learning in college: tips from cognitive psychology. Perspectives on Psychological Science11(5), 652-660.

[10] Putnam, A. L. (2015). Mnemonics in education: Current research and applications. Translational Issues in Psychological Science1, 130–139. 

[11] Diekelmann, S., & Born, J. (2010). The memory function of sleep. Nature Reviews Neuroscience11, 114–126. 

[12] Berman, M. G., Jonides, J., & Kaplan, S. (2008). The cognitive benefits of interacting with nature. Psychological Science19, 1207–1212. 

Eine Antwort schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.