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Plötzlich Führungskraft: Antonias Umgang mit den Herausforderungen der Mitarbeiterführung

Im Interview

Plötzlich Führungskraft

Antonia spricht über den Umgang mit Verantwortung, Konflikten unter Mitarbeitenden und die Wichtigkeit von guter Kommunikation.

Hintergrund

Über Antonia

Das Ganze kam sehr überraschend! Nach ihrem Psychologiestudium hatte Antonia sich für eine Karriere in der Wirtschaft als Arbeit- und Organisationspsychologin entschieden. Sie startete als Trainee bei ihrem heutigen Arbeitgeber in der Personal- und Organisationsentwicklung eines Verkehrsunternehmens. Nach etwas über drei Jahren im Beruf wurde sie im Mitarbeitergespräch gefragt, was sie sich perspektivisch vorstellen könnte. „Vielleicht könnte das Thema Führung für mich interessant sein“, war ihre Antwort. Gedacht hatte sie dabei an den ersten Schritt in der Führungslaufbahn, eine Teamleitung. Einige Monate später war sie nach der Kündigung der vorherigen Stelleninhaberin kommissarische Abteilungsleiterin und hatte ohne vorherige Führungserfahrung eine Abteilung mit 22 Beschäftigten zu führen. Nun ist sie seit rund 3 Monaten auf dem Posten. 

Reingezoomt

Ein Arbeitstag

„Es gibt keinen richtig typischen Tag. Ich beginne um 8 Uhr. Ab 9 Uhr ist der Tag durchgebucht: Termin an Termin. Mit jedem meiner 22 Mitarbeiter spreche ich alle 14 Tage einmal persönlich. Außerdem gibt es Abteilungsrunden und Termine mit anderen Führungskräften. Parallel bekomme ich viele Mails: Fragen von Mitarbeitern, Anfragen, die vom Vorstand zu mir weitergeleitet wurden. Ich versuche, in den paar Minuten zwischen Terminen ein paar Mails abzuarbeiten. Ab 16 Uhr werden die Termine weniger, ich kann das Mailvolumen abarbeiten und konzeptuelle oder inhaltliche Dinge bearbeiten. Feierabend mache ich oft um 19 oder 20 Uhr. Auch am Wochenende arbeite ich ab und an. Wenn das Privatleben mal stärker ruft, mache ich auch mal früher Feierabend.“

"Ich bin kein Mensch, der oft in Konflikte kommt, da ich versuche die Kommunikation so zu gestalten, dass beide Seiten ihr Gesicht wahren können und dass man eher zum Kompromiss kommt. ."

Antonia, Abteilungsleiterin

Was denkst du über ...

Work-Life-Balance

„Arbeit und Privatleben sollten sich schon irgendwo die Waage halten. Zum Beispiel bin ich ein Fan vom Prinzip der 35-Stunden Woche, denn eine Verschiebung in Richtung mehr Freizeit fände ich nicht schlecht. Allerdings scheint es bei mir gerade eher in die andere Richtung zu gehen. Das liegt aber auch an der neuen Position. Erstens muss ich mich noch beweisen, und zweitens sind die Prozesse noch nicht routiniert. Meine Hoffnung ist, dass ich dann irgendwann mehr Freizeit habe. Interessant finde ich aktuelle Entwicklungen in Richtung mehr Selbstorganisation und weniger Fokus auf einer Führungskraft.“ 

Was denkst du über ...

Das Thema Traumberuf

„Viele Menschen finden ihren Traumberuf nicht, denn man kann ja nicht jeden Job ausprobieren. Aber man tut sich einen großen Gefallen, wenn man etwas findet, was einem Spaß macht. Klar ist es nicht immer ein Wunschkonzert. Und natürlich haben viele Menschen die Optionen nicht, das zu machen, was ihnen Spaß macht.“

Was denkst du ...

Sollte man wissen, wo man in 10 Jahren stehen möchte?

„Ich glaube nicht, dass man das wissen muss. Die Rahmenbedingungen und Einflussfaktoren ändern sich schließlich auch häufig. Wenn man da nicht festgelegt ist, kann man vieles auf sich zukommen lassen. Wenn man es aber weiß und zum Beispiel das Ziel hat, in 10 Jahren eine Vorstandsposition zu haben, dann macht es Sinn sich einen Plan zu machen, wie man dieses Ziel erreichen kann. Da ich so ein übergeordnetes Ziel nicht habe, habe ich auch keinen 10-Jahres Plan.“

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"Ich muss nicht beruflich erfolgreich sein und habe wenig Interesse an Statussymbolen. Andere Szenarien sind auch denkbar. Solange mich etwas erfüllt, empfinde ich es als erfolgreich."

Führungskraft in der Personalentwicklung

Der Job

Welche Stressoren bringt Dein Beruf mit sich?

Mich stressen Momente, in denen ich das Gefühl habe, keine Lösung parat zu haben. Auch Zeitdruck und Meinungsverschiedenheiten mit Mitarbeitenden sind anstrengend.  Deshalb achte ich sehr darauf, auf Augenhöhe zu bleiben und die Ideen der anderen ernst nehmen. Ich bin nicht der Meinung, dass meine Ideen die besten sind. Wenn ich eine Nachricht rausschicke, achte ich darauf, ob sich jemand angegriffen fühlen könnte. Aber diese Sorgfalt und das bedächtige Vorgehen ist natürlich mit Aufwand verbunden. Und natürlich kommt es trotzdem vor, dass man aneinander vorbeiredet. 

Welche Glücksmomente gibt es?

Positives Feedback von Beschäftigten oder Führungskräften. Wenn sich jemand wertgeschätzt fühlt, freut mich das sehr. Außerdem bin ich zufrieden, wenn ein Plan so aufgeht, wie ich mir das vorgenommen hatte. 

Welche Eigenschaften sollte man als Führungskraft haben?

  • Zwischenmenschliche Fähigkeiten (mit verschiedenen Personenkreisen): Werkstatt, Vorstand, eigene Beschäftigte
  • Rhetorik, Überzeugungsfähigkeit
  • Steuerungsfähigkeiten: Ziele setzen und darauf hinarbeiten, anderen Struktur geben, Maßnahmen ableiten, Priorisieren
  • Mitarbeitermotivation: Positive Stimmung vermitteln, Mitarbeiter miteinbeziehen. 

Denkanstöße

Das Gespräch mit Antonia war so interessant für mich, da mir aufgefallen ist, dass ihre Selbstwahrnehmung und die Einschätzung anderer (inklusive mir) auseinander gingen. Ich kenne sie aus dem Studium und mir war immer klar, dass sie überdurchschnittlich strukturiert, zielorientiert und gleichzeitig diplomatisch ist. Dass sie nun Abteilungsleiterin ist, hat mich daher nicht überrascht. Sie selbst sagt dazu:

„Ich habe meine Leistungen auf normalem Standardniveau wahrgenommen. Auch heute frage ich mich noch oft, warum gerade ich jetzt in dieser Position bin.“

Diese Denkanstöße habe ich aus dem Gespräch gezogen: 

  1. Auch (oder vielleicht gerade?) wenn man es nicht forciert, ergeben sich Gelegenheiten. 
  2. Man führt umso besser, je mehr man einen klaren Plan verfolgt und diesen transparent und mit einer Prise Begeisterung an die Mitarbeitenden kommuniziert. Dann kann man sich Dominanz und Durchsetzung sparen.
  3. Es ist eine Kunst, als Führungskraft zu wissen, wann man Verantwortung übernehmen und wann man bewusst Verantwortung abgeben (sprich: delegieren) sollte.

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