Materielle Sicherheit

Macht Geld glücklich oder nicht? Wie Du über Zeit und Geld verfügen solltest, um ein glückliches Leben zu führen

„Werd ich zum Augenblicke sagen: Verweile doch! Du bist so schön! Dann magst du mich in Fesseln schlagen, dann will ich gern zugrunde gehn!“

- Johann Wolfgang von Goethe

Zeit und Geld – zwei kostbare und limitierte Güter. Das eine universell, das andere menschengemacht. Beides kann man sparen, beides kann man ausgeben. Wir wissen nicht, wieviel Zeit wir im Leben haben werden. Ebenso wenig wissen wir, wieviel Geld wir zur Verfügung haben werden. Somit können wir mit Zeit und Geld nur kurz- bzw. mittelfristig planen. Um viel Geld zu haben, brauchen wir meistens Zeit. Um viel Zeit zu haben, brauchen wir meistens Geld. Manchmal frage ich mich, ob der Mensch das Geld erfunden hat, um von zwei Dingen abzulenken: Erstens von der deprimierenden Gewissheit, dass seine Zeit auf dieser Welt limitiert ist, zweitens von der noch deprimierenderen Ungewissheit, wie sehr seine individuelle Zeit tatsächlich limitiert ist. Denn Geld suggeriert eine gewisse Kontrollierbarkeit über das eigene Schicksal, über die Zeit auf diesem Planeten. Wer viel Geld hat, kann entscheiden, wie er diese Zeit verbringt. Daher streben Menschen nach Reichtum. Verständlich. Ich mache das auch. Du vermutlich auch?

Aber macht viel Geld glücklich? Und wie sollte man mit Zeit und Geld am besten umgehen, um ein glückliches Leben zu führen? Diesen Fragen bin ich auf den Grund gegangen.

Macht Geld glücklich?

Sobald Deine Grundbedürfnisse erfüllt sind, scheint zusätzliches Einkommen Deine Zufriedenheit nicht mehr zu erhöhen – das legen die meisten Studien nahe1,2,3,4,5. Bedeutet das, dass Geld nicht glücklich macht. Nein, streng genommen nicht. Es bedeutet lediglich, dass die Art und Weise wie die meisten Menschen ihr Geld ausgeben, nicht dazu führt, das Glück nennenswert zu steigern. Und was machen die meisten Menschen mit zusätzlichem Einkommen? Sie kaufen materielle Dinge für sich selbst: Häuser, einen Zweitwagen, eine Espressomaschine, eine Smartwatch. Allerdings erhöhen mehr materielle Dinge für sich selbst die wahrgenommene Zufriedenheit nicht6. Denn ob zusätzliches Geld Dich glücklicher macht, hängt davon ab, ob Du es für eins der folgenden Dinge ausgibtst.  

1. Geld macht glücklich, wenn Du es für andere ausgibst

Wenn man sein Geld für andere ausgibt, scheint dies das Wohlbefinden zu steigern. Eine Forschungsarbeit legt nahe, dass Menschen umso glücklicher sind, je mehr sie anderen geben – und das interessanterweise auch, wenn man für das absolute Einkommen der Person kontrolliert7. Sprich: Eine reiche Person, die 5 Prozent ihres Monatsgehalts spendet, ist genauso glücklich wie eine arme Person, die 5 Prozent ihres Monatsgehalts spendet. Um sicherzugehen, dass es sich hier um einen Kausalzusammenhang handelt, hat eine kanadische Forschergruppe Teilnehmer eines Experiments angewiesen, 5 Dollar in sich selbst oder in andere zu investieren und fand, dass diejenigen, die das Geld für andere selbst ausgegeben hatten, sich nach dem Experiment glücklicher fühlten8.

Aber ist das immer so? Ist es egal, ob Du einem Obdachlosen 20 Euro schenkst oder dieselben 20 Euro Deinem kleinen Bruder giebst oder aber an eine wohltätige Organisation spendest? Nein. Am glücklichsten macht es Dich, wenn

 

  1. … der Empfänger Dir nahesteht9
  2. … die Spende nicht anonym ist10
  3. … Du mitverfolgen kannst, was mit dem Geld passiert und welche Auswirkungen es hat11

2. Geld macht glücklich, wenn Du es für Erlebnisse ausgibst

Eine weitere Möglichkeit, glücklicher durch Geld zu werden ist, es für schöne Erlebnisse auszugeben12. Sogar die Vorfreude vor einem Erlebnis ist schöner als die Vorfreude in Bezug auf materielle Dinge13. Vielleicht erinnerst Du Dich, wie schön es sich anfühlt, zu wissen, dass man in einer Woche am Strand liegen wird. Dass in einer Woche der neue Laptop ankommt, löst dagegen nicht ganz so viel Euphorie aus – vielleicht sogar maximal Ungeduld. Aber woran liegt es denn, dass der Urlaub Dich glücklicher macht als der Laptop?

  1. Erlebnisse sind identitätsstiftend14: Während eines Erlebnisses werden Emotionen ausgelöst, da es sich um ein ungewöhnliches, vom Alltag abweichendes Ereignis handelt, welches selbst gewählt ist und eine gewisse Zeit andauert. Die Breite und Varianz an Emotionen, die ein Erlebnis auslöst ist größer als bei materiellen Dingen.
  2. Erlebnisse sind einzigartig15: Warum fliegen Menschen jedes Jahr in dasselbe Hotel nach Mallorca, kaufen sich aber nicht jedes Jahr dasselbe Handy? Weil Erlebnisse sich stärker unterscheiden als materielle Dinge.  
  3. Man kann Erlebnisse weniger gut im Nachhinein mit anderen Alternativen vergleichen als materielle Dinge16.
  4. Erlebnisse verbinden Menschen mehr als materielle Dinge17. Also auch hier scheint der soziale Aspekt wieder eine Rolle zu spielen.

Macht Zeit glücklich?

Menschen fokussieren sich in ihrem Streben nach Glück eher auf Geld als auf Zeit – vielleicht weil ersteres planbarer und kontrollierbarer ist. Aber ist das sinnvoll? Die Forschung sagt nein! Wenn Du die Aufmerksamkeit auf Zeit anstatt Geld lenkst, führt das dazu, dass du sowohl zufriedener mit Deinem Konsumverhalten bist, als auch mit Deinem Leben insgesamt18. Zum Beispiel führt ein Fokus auf Zeit dazu, dass Du weniger arbeitest und mehr Zeit mit Freunden und Familie verbringst. Und beides führt zu einem gesteigerten Gefühl von Zufriedenheit.

Wie solltest Du Zeit verbringen?

Es ist ja hilfreich zu wissen, dass ein Fokus auf Zeit besser ist als ein Fokus auf Geld. Diese Erkenntnis wirft allerdings mehr Fragen auf als sie beantwortet, da es so unglaublich viele unterschiedliche Arten gibt, seine Zeit zu verbringen. Solltest Du lieber meditieren, mit der Familie essen gehen, Dich weiterbilden oder Dir die Beziehungsprobleme der Freundin anhören? Ist es besser, sich für einen ruhigen Abend zuhause zu entscheiden oder lieber im Zelt übernachten und Sterne beobachten? Hier sind einige Hinweise aus der Forschung:

1. Es macht glücklicher, Zeit für andere aufzubringen als in Dich selbst zu investieren. Hinterher fühlt es sich sogar an, als hättest Du mehr Zeit19

2. Junge Menschen ziehen mehr Zufriedenheit aus außergewöhnlichen Erlebnissen20. Also ab ins Zelt, solange Du jung bist!

3. Je älter Du wirst, desto wertvoller werden die normalen Erlebnisse20. Ein ruhiger Abend zuhause ist dann genauso schön wie ein außergewöhnlicher Trip.

4. Aktiv zu werden macht glücklicher als Müßiggang: Beschäftigte Menschen sind im Mittel zufriedener 21.

Fazit

Macht Geld nun glücklich? Ja, wenn Du es in Erlebnisse oder andere Menschen investierst und nicht nur in materielle Güter für Dich selbst. Wenn Du stattdessen Deinen Fokus eher auf die Zeit als auf Geld richtest, könnte Dich das noch zufriedener machen. Wie Du diese Zeit am besten investierst, ist ein wenig altersabhängig. Lebe lieber ungewöhnlich, wenn Du jung bist! Und finde Aktivitäten, die Du magst, denn auch wenn jeder sich schon einmal gewünscht hat, einfach mal nichts machen zu müssen – glücklich scheint man davon nicht zu werden.

Warum wir manchmal Glück aber bewusst nicht zulassen wollen, kannst Du in diesem Beitrag erfahren. Bis dahin ziehen wir das Fazit: Geld macht glücklich, wenn Du weißt wie Du es nutzen kannst.

Verwendete Literatur

Übersichtsarbeit: Mogilner, C., & Norton, M. I. (2016). Time, money, and happiness. Current Opinion in Psychology, 10, 12-16.

[1] Aknin, L. B., Norton, M. I., & Dunn, E. W. (2009). From wealth to well-being? Money matters, but less than people think. The Journal of positive psychology4(6), 523-527.

[2] Diener, E., & Biswas-Diener, R. (2002). Will money increase subjective well-being?. Social indicators research57(2), 119-169.

[3] Frey, B. S., & Stutzer, A. (2000). Happiness, economy and institutions. The Economic Journal110(466), 918-938.

[4] Kahneman, D., & Deaton, A. (2010). High income improves evaluation of life but not emotional well-being. Proceedings of the national academy of sciences107(38), 16489-16493.

[5] Kahneman, D., Krueger, A. B., Schkade, D., Schwarz, N., & Stone, A. A. (2006). Would you be happier if you were richer? A focusing illusion. science312(5782), 1908-1910.

[6] Dunn, E., & Norton, M. (2014). Happy money: The science of happier spending. Simon and Schuster.

[7] Dunn, E. W., Aknin, L. B., & Norton, M. I. (2014). Prosocial spending and happiness: Using money to benefit others pays off. Current Directions in Psychological Science23(1), 41-47.

[8] Dunn, E. W., Aknin, L. B., & Norton, M. I. (2008). Spending money on others promotes happiness. Science319(5870), 1687-1688.

[9] Aknin, L. B., Sandstrom, G. M., Dunn, E. W., & Norton, M. I. (2011). It’s the recipient that counts: Spending money on strong social ties leads to greater happiness than spending on weak social ties. PLoS one6(2), e17018.

[10] Aknin, L. B., Dunn, E. W., Sandstrom, G. M., & Norton, M. I. (2013). Does social connection turn good deeds into good feelings?: On the value of putting the ‘social’in prosocial spending. International Journal of Happiness and Development1(2), 155-171.

[11] Aknin, L. B., Dunn, E. W., Whillans, A. V., Grant, A. M., & Norton, M. I. (2013). Making a difference matters: Impact unlocks the emotional benefits of prosocial spending. Journal of Economic Behavior & Organization88, 90-95.

[12] Gilovich, T., & Kumar, A. (2015). We’ll always have Paris: The hedonic payoff from experiential and material investments. In Advances in experimental social psychology (Vol. 51, pp. 147-187). Academic Press.

[13] Kumar, A., Killingsworth, M. A., & Gilovich, T. (2014). Waiting for merlot: Anticipatory consumption of experiential and material purchases. Psychological science25(10), 1924-1931.

[14] Carter, T. J., & Gilovich, T. (2012). I am what I do, not what I have: The differential centrality of experiential and material purchases to the self. Journal of personality and social psychology102(6), 1304.

[15] Carter, T. J., & Gilovich, T. (2010). The relative relativity of material and experiential purchases. Journal of personality and social psychology98(1), 146-159.

[16] Rosenzweig, E., & Gilovich, T. (2012). Buyer’s remorse or missed opportunity? Differential regrets for material and experiential purchases. Journal of personality and social psychology102(2), 215-223.

[17] Caprariello, P. A., & Reis, H. T. (2013). To do, to have, or to share? Valuing experiences over material possessions depends on the involvement of others. Journal of personality and social psychology104(2), 199-215.

[18] Mogilner, C. (2010). The pursuit of happiness: Time, money, and social connection. Psychological Science21(9), 1348-1354.

[19] Mogilner, C., Chance, Z., & Norton, M. I. (2012). Giving time gives you time. Psychological Science23(10), 1233-1238.

[20] Bhattacharjee, A., & Mogilner, C. (2014). Happiness from ordinary and extraordinary experiences. Journal of consumer research41(1), 1-17.

[21] Hsee, C. K., Yang, A. X., & Wang, L. (2010). Idleness aversion and the need for justifiable busyness. Psychological Science21(7), 926-930.

 

 

Ein Kommentar

Eine Antwort schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.