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Die Wissenschaftlerin

Im Interview

Die Wissenschaftlerin

Katarina spricht über ihre Leidenschaft für Forschung und Lehre, ihren Berufsweg durch vier unterschiedliche Länder, die Vereinbarkeit von Wissenschaft und Familiengründung und das beste Mindset für eine Karriere als Wissenschaftlerin.

About

Über Dr. Katarina Krkovic

„Meine größte Leidenschaft ist es, mich immer wieder für neue Sachen zu begeistern“, sagt Katarina, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Dozentin an der Universität Hamburg. Und genau dieser Umstand fällt in ihrer Biografie als erstes ins Auge: Schon in der Schule war sie sehr offen hinsichtlich der Frage nach dem Beruf. So hätte sie sich vorstellen können, Pilotin oder Architektin zu werden. Auch der Ort war ganz flexibel. China, Italien – alles hätte sie interessiert. Schließlich führte ihr Weg sie dann über Zwischenstationen in Wien und Luxemburg nach Hamburg, wo sie in der klinischen Psychologie promovierte. Parallel dazu absolvierte sie die Ausbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin und später die Fachkunde zur Kinder- und Jugendpsychotherapeutin.

Bei jedem Schritt war Katarina mit Begeisterung, Spaß und Hingabe bei der Sache und so ergab es sich, dass sie im Jahre 2020 eine absolute Rarität ergatterte: Eine unbefristete Stelle in der Forschung. Dadurch konnte Katarina sich neben der Forschung auch intensiver ihrer zweiten Leidenschaft, der Lehre, widmen. Derzeit gibt Katarina 4 Seminare in der Woche, legt viel Wert auf die Vorbereitung und sorgfältige Unterstützung der Studierenden.

Während ihrer Schwangerschaft im Jahr 2022 vertrat Katarina die Professur für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie und konnte testen, ob sie es sich vorstellen kann, langfristig in der Forschung zu bleiben. Es tat ihr sehr gut, die Lehre nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten und sie wurde belohnt durch den Lehrpreis im Jahr 2022. Nach ihrer Elternzeit ist sie nun zurück und kombiniert aktuell eine halbe Stelle in der Forschung mit ihrer Selbstständigkeit als Psychotherapeutin. „Eine Karriere in der Forschung erfordert aber eigentlich den vollen Fokus, daher sehe ich das nun als Orientierungsphase“, erklärt sie. Ich traf Katarina zum Interview, um mit ihr über die Glücksmomente und Herausforderungen als Wissenschaftlerin, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie ihre Einstellung zu Karriere und Lebensglück zu sprechen.

Reingezoomt

Ein Arbeitstag

„Typischerweise bringe ich zunächst meine Tochter in der Kita. Dann gehe ich in mein Büro. Momentan läuft das Semester, daher habe ich typischerweise ein Seminar, auf das ich mich dann vorbereite. Ich neige eher dazu, selber Inhalte zu gestalten, so gibt es bei mir zum Beispiel keine Referate. Außerdem gibt es tagsüber Team-Meetings, Forschungskolloquien und eventuell kleinere Meetings mit einem Doktoranden, den ich betreue. In diesem Rahmen bespreche ich, wie es in seinem Promotionsverfahren gerade läuft, lese sein Paper, gebe Feedback. Auch stehen oft bestimmte statistische Rechnungen an, die ich zu anderen Projekten durchführe. Oder ich habe zudem Online-Meetings mit Kooperationspartnern in England oder den USA. 

An den Tagen in meiner Psychotherapiepraxis habe ich feste Termine mit meinen Patient:innen. Dadurch sind die Tage fester strukturiert.“

"Erfolg bedeutet für mich, sich eine gewisse Leichtigkeit zu bewahren und seinen Arbeitsalltag zu genießen. Außerdem gehören für mich auch finanzielle Aspekte zu Erfolg."

Katarina

Was denkst du über ...

Work-Life-Balance

„Ich glaube an das Konzept. Darum bin ich auch ein bisschen neidisch auf die Generation Z, da diese sich selbst und ihre Bedürfnisse oft besser im Blick hat. In Serbien, wo ich aufgewachsen bin, ist durch existenzielle Sorgen bedingt das Leistungsthema sehr vorherrschend. Daher war ich schon immer fokussiert, alles in kürzester Zeit zu machen. Daher begrüße ich es sehr, dass junge Leute ihr Privatleben heute mehr priorisieren und ich versuche selbst auch, das für mich umzusetzen, denn das entspricht eigentlich auch meiner Natur.“

Was denkst du über ...

Das Thema Traumberuf

„Ich glaube, man sollte seinen Traumberuf selbst gestalten. Zwar glaube ich nicht, dass man auf den einen Traumberuf warten soll, doch ich glaube man sollte für sich sorgen und einen Beruf ausüben, der mehr Freude als Belastung bereitet. Ich denke jedoch nicht, dass ein Traumberuf ausschließlich Spaß bedeutet. Das Schlüsselgefühl ist für mich, wenn ich nicht halbherzig arbeite, sondern etwas wirklich gut und mit vollem Herzen machen möchte.“

Was denkst du ...

Sollte man wissen, wo man in 10 Jahren stehen möchte?

„Nein, absolut nicht. Vielleicht macht es Sinn, sich zu fragen oder eine grobe Vision zu haben, was für ein Leben man in 10 Jahren führen möchte. Aber ein klares Bild kann manchmal auch lähmend sein, denn dann könnte man all die schönen Möglichkeiten ausblenden, die sich vielleicht auf dem Weg ergeben.“ 

Wissenschaftlerin

Der Job

Wie wird man Wissenschaftlerin?

Um Wissenschaftlerin zu werden, ist es nach einem Studium notwendig, zunächst zu promovieren. Nach der Promotion arbeitet man als Post-Doktorandin an einer Universität und hat dann im späteren Verlauf die Möglichkeit, zu habilitieren und sich auf Professuren zu bewerben. An Universitäten werden Wissenschaftler:innen oft befristet eingestellt mit einer maximalen Befristungsdauer von sechs Jahre, wobei Ausnahmen für Promotionen und andere Qualifikationsphasen vorgesehen sind. Nach Ablauf der Befristung müssen Arbeitgeber entweder unbefristete Arbeitsverträge anbieten oder die Verträge auslaufen lassen.

Wie sind die Verdienstmöglichkeiten?

Die Verdienstmöglichkeiten in der Wissenschaft variieren stark, je nach Erfahrungsstufe. Als Professorin kann man 5000-6000 Euro Netto verdienen. Hat man keine Professur inne, so liegt das Maximum bei etwa 4000 Euro Netto.

Welche Stressoren bringt Dein Beruf mit sich?

In der Forschung gibt es im Allgemeinen sehr wenig Lob und Bestätigung. Das bedeutet, dass man oft sehr lange auf die „Erntezeit“ wartet. Man plant ein Projekt von der ersten Idee über die zum Teil sehr langwierige Umsetzung bis zur Verwertung der Ergebnisse. Dann muss man noch publizieren, was ebenfalls ein sehr langwieriger Prozess ist. Ist das erfolgreich, geht es direkt schon weiter. Daher sollte man für sich beginnen, kleine Ziele zu feiern, sonst ist man im ganzen Prozess schnell frustriert. Die Strukturen der Lehrstühle sind weit entfernt von denen der freien Wirtschaft und es ist oft eine Herausforderung, eine förderliche Teamkultur und Führungsstil zu finden bzw. zu gestalten.

Welche Glücksmomente gibt es?

  • Es ist toll, wenn man merkt, dass man zu dem Pool an Wissen bedeutsam beitragen kann und zum Beispiel einen Beitrag zur Entwicklung neuer Therapiemethoden leisten kann. 
  • Auch ist es sehr erfüllend, die Studierenden oder auch die Doktorand:innen zu begeistern, zu motivieren und zu leiten. 

Welche Eigenschaften sollte man als Wissenschaftlerin haben?

  • Neugier
  • Strukturiertheit
  • Teamfähigkeit
  • Weitsicht: Es ist wichtig, für die Forschungsprojekte das „Big Picture“ im Kopf zu haben.
"In der Wissenschaft ist man ständig der Kritik ausgesetzt. Daher ist es unglaublich wichtig, eine annehmende Haltung der Kritik gegenüber zu entwickeln. Eine Lebensaufgabe in der Wissenschaft ist es, den eigenen Selbstwert von der Tätigkeit in der Forschung zu trennen."

Katarina

Denkanstöße

Durch ihren Beruf hat Katarina über sich selbst gelernt, dass sie ungeduldig und impulsiv ist und immer Dynamik und Aktion braucht. Sie hat aber auch ihre eigene Führungs- und Leitungskompetenz entdeckt sowie den Spaß daran, andere Menschen zu inspirieren und sie zu unterstützen in der Weiterentwicklung.

Am Wissenschaftssystem kritisiert Katarina, dass die Arbeitsbereiche an deutschen Universitäten durch die klare Hierarchie so strukturiert sind, dass es einem als junge forschende Person nichts anderes übrig bleibt, als sich thematisch und methodisch in einen Lehrstuhl einzuordnen. Das System ist nicht darauf ausgerichtet, dass Wissenschaftler:innen eigene Ideen und Herangehensweisen durchsetzen, denn die Professuren sind begrenzt und zudem nicht für jede forschende Person attraktiv, da sie neben der Forschung und Lehre noch andere Aufgaben mit sich bringen. Auch ist das Wissenschaftssystem eine Herausforderung, wenn es um Familiengründung geht, da es kaum möglich ist, sich für eine gewisse Zeit herauszuziehen. Sowohl die Forschungsprojekte als auch die Betreuung von Doktorand:innen können nicht pausiert werden.

Das Gespräch mit Katarina war eine große Inspiration, denn Katarina ist eine mutige und intuitive Person, die Vertrauen in das Leben hat und sich durch ihr Interesse und den Spaß an den Themen leiten lässt, anstatt Anerkennung oder externe Belohnungen zu suchen. Um nicht auszubrennen, versucht sie sich immer daran zu erinnern, was das Leben eigentlich ausmacht. „Ich lebe einfach gerne“, sagt sie, „Ich habe immer Spaß bei der Arbeit, und doch würde ich nie eine Feier am Abend opfern.“

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