Die Hotelmanagerin
Im Interview
Die Hotelmanagerin
Anita spricht über den Weg von der Konzeptidee bis zum laufenden Hotelbetrieb, über das Thema Selbstständigkeit und ihr Projekt der 4-Stunden-Woche.
Anita Wandinger
Über Anita
Eigentlich war die Hotellerie nicht ihr Traumberuf. Nach dem Abitur hatte sie BWL mit Schwerpunkt Tourismus studiert und einen Master in Wirtschaftspsychologie angehängt. Doch als sich Ende 2017 die Möglichkeit auftat, ein Gebäude von ihrem Vater zu pachten und ein neues Hotelkonzept zu entwickeln, erkannte Anita, dass eine solche Möglichkeit wahrscheinlich nicht wiederkommen wird. Die ersten 1,5 Jahre entwickelte Anita das Hotelkonzept und war in die Prozesse der Firmengründung, Markenbildung und Finanzierung des Hotels eingebunden, im März 2019 stand dann die Hoteleröffnung an. Seitdem leitet Anita als Hotelmanagerin ihr Konzepthotel AWA in München mit 88 Zimmern und 13 Mitarbeitenden.
AWA-Hotel steht für die drei Pfeiler Awareness, Women und Arts. Diesen trägt es Rechnung, indem der Fokus zum einen auf dem Umweltbewusstsein liegt. Plastik und Wegwerfprodukte werden reduziert, beim Frühstück wird auf Bioprodukte und vegane Alternativen gesetzt. Außerdem unterstützt das AWA-Hotel junge Frauen, die sich selbstständig machen wollen, sowie junge Künstler und Künstlerinnen, indem es Räumlichkeiten für Veranstaltungen und Ausstellungen kostenfrei zur Verfügung stellt.
Ich traf Anita zum Interview und habe mit ihr über ihren zeitintensiven Arbeitsalltag, ihre Visionen und ihren Blick auf das Berufsbild gesprochen.
Reingezoomt
Ein Arbeitstag
„Als Managerin gibt es keinen typischen Tag. Mein Tag beginnt früh und prinzipiell bin ich den ganzen Tag mit Problemlösung beschäftigt. Das können technische Dinge sein, wenn zum Beispiel der Fahrstuhl stehengeblieben ist, es können aber auch personalbezogene Dinge sein wie Anliegen von Mitarbeitenden. Nicht selten springe ich auch für kranke Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen ein. Abgesehen davon machte ich auch viele Bürotätigkeiten wie Marketing oder Lohnbuchhaltung. Da wir ein kleines Hotel sind, ist mein Tätigkeitsspektrum sehr vielseitig. Ich arbeite sehr lange und bin in der Regel abends auch noch telefonisch erreichbar für Gästeanfragen.“
"In der Hotellerie sind die Strukturen oft sehr hierarchisch und es wird viel kontrolliert. Das versuche ich bewusst anders zu machen. Unsere Hierarchien sind flach und ich gebe meinem Team viel Freiraum. Diese Strategie geht zu 100 {299f051e7fb0bd512454dec2a37aa34d92d533d5b7668c62855025232e45be8b} auf."
Anita Wandinger
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Work-Life-Balance
„Für mich ist es sehr wichtig, dass ich mein Wochenende nicht noch vollpacke mit zusätzlichen Terminen beim Sport oder mit Freunden. Daher versuche ich aktuell, für mich und mein Team die 4-Stunden-Woche zu etablieren. Für mich bedeutet das, dass ich mir noch den Montag freinehmen kann, um dann Dinge für mich erledigen zu können, zum Sport zu gehen oder aufzuräumen. Wenn ich dauerhaft 40 Stunden arbeite, was im Fall der Hotelmanagerin eher 60 h sind, werde ich lustlos und ausgebrannt.“
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Das Thema Traumberuf
„Ich bin da hin- und hergerissen. Einerseits finde ich, man sollte seinen Traumberuf verfolgen. Andererseits macht mir mein Job sehr viel Spaß, ohne dass er mein Traumberuf ist. Denn dafür ist er zu zeitintensiv und die Verdienstmöglichkeiten sind nicht optimal. Mein Wunschtraum ist es, später meine Stunden im Hotel weiter reduzieren zu können und dafür ein oder zwei Tage im Monat im Tierheim helfen zu können.“
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Sollte man wissen, wo man in 10 Jahren stehen möchte?
„Ich glaube, man kann das nicht wissen. Man kann immer nur eine Grundidee haben, wie man sich sein Leben vorstellt. Zum Beispiel weiß ich, dass ich Kinder und eine eigene Familie haben will, aber ich kann nicht sagen, ob ich dann noch das Hotel leite oder nicht. Aber ich glaube auch, dass man heutzutage eher in kürzeren Zeiträumen von zwei bis vier Jahren plant. Natürlich ist Vorsorge wichtig, auch im Hinblick auf die Rente, aber ich muss nicht wissen, ob ich diesen oder einen anderen Job in 3 Jahren ausüben werde.“
Hotelmanagerin
Der Job
Wie wird man Hotelmanagerin?
Ein Studium ist nicht zwangsläufig notwendig. Man kann sich nach einer Ausbildung in der Hotellerie innerhalb eines Hauses versuchen hochzuarbeiten. Gerade größere Hotels sind dafür gut geeignet. Eine weitere Möglichkeit ist es, an bestimmten Programmen teilzunehmen, zum Beispiel dem Elevator Programm der Hilton-Gruppe. Dort wird man gezielt darauf hintrainiert, Managementpositionen zu bestreiten. Allerdings ist es sehr schwer, in ein solches Programm zu kommen, das ist sehr umkämpft. Da unsere Branche Mitarbeiterknappheit hat, wird eine motivierte Person aber in jedem Haus gefördert werden. Man sollte sich nicht entmutigen lassen.
Wie sind die Verdienstmöglichkeiten?
Als normale Vollzeitkraft wird man im Jahr um die 30 000 Euro verdienen. Natürlich kann man sich als Supervisorin oder sogar bis zur Hotelmanagerin nach oben arbeiten, wo man dann das Doppelte verdient. Aber natürlich sind das heiß begehrte Positionen.
Daher ist meine beste Empfehlung, die Hotellerie als Mini- oder Teilzeitjob auszuüben. Da man viel steht und viele soziale Kontakte hat, ist es ein super Ausgleich zur Uni. Auch finanziell lohnt sich das am meisten.
Welche Stressoren bringt Dein Beruf mit sich?
Es gibt bestimmte Rush-Hours. Dann passiert immer alles gleichzeitig, was zu Überforderung führen kann. Außerdem sind unzufriedene Gäste das Schlimmste.
Welche Glücksmomente gibt es?
Positives Feedback von Gästen macht mich glücklich. Vor allem freut es mich, wenn das Konzept beim Gast ankommt, verstanden und geschätzt wird. Letztens hat ein junges Paar nach mir gefragt. Die fanden die Zimmer, das Konzept, die Mitarbeiter und die Stadt toll. Das ist natürlich auch ein Kompliment an mich persönlich.
Welche Eigenschaften sollte man als Hotelmanagerin haben?
- Disziplin: Es ist echt ein Fulltime-Job. Freie Wochenenden und Feierabend um 18 Uhr kann man vergessen. Ich kriege teils um Mitternacht Anrufe, muss aber um 6 Uhr beim Frühstück sein.
- Sensibilität für die Mitarbeitenden: Man kann nicht an die angestellten Mitarbeitenden die gleichen Maßstäbe anlegen als an einen selbst. Ich weiß selbst, dass ich als Angestellte früher eher 80 {299f051e7fb0bd512454dec2a37aa34d92d533d5b7668c62855025232e45be8b} als 100 {299f051e7fb0bd512454dec2a37aa34d92d533d5b7668c62855025232e45be8b} gegeben habe. Außerdem braucht man für die Pflege der Mitarbeitenden viel Zeit. Denn ohne die Personen hinter dem Hotel geht es nicht. Das ist meine wichtigste Ressource. Als Managerin sollte man gut mit Menschen umgehen können, den Mitarbeitenden auf Augenhöhe begegnen, jedoch auch Respekt und Distanz vermitteln können.
- Stressresistenz: Man muss Problemlösen mögen und eigenständig agieren und reagieren können.
Du erwähntest das Konzept der 4-Stunden-Woche. Wie genau setzt Du das bei Deinen Mitarbeitenden um?
Wenn jemand neu anfängt, macht es zunächst Sinn während der Probezeit 5 Tage zu arbeiten, um den Hotelbetrieb in vollem Umfang kennenzulernen. Nach 6 Monaten stelle ich dann den Leuten frei, ob sie eine Gehaltserhöhung bei weiterhin 5 Tagen haben wollen oder ob sie einen freien Tag mit minimaler Gehaltsreduktion haben wollen. Wofür sich die Leute entscheiden, ist ganz ausgeglichen.
Denkanstöße
Anitas Geschichte erscheint mir in vielerlei Hinsicht unglaublich inspirierend. Nicht nur ihr Hotelkonzept ist mit dem Fokus auf Umweltbewusstheit, Kunst- und Frauenförderung extrem zeitgemäß, auch ihr Management-Stil ist mit flachen Hierarchien, Vertrauensvorschuss und Mitarbeiter-Empowerment an modernste Führungsmethoden angelehnt. Zudem hat mich ihre Umsetzung von der 4-Stunden-Woche begeistert, weil sie den Mitarbeitenden Freiheit und Gestaltungsspielraum über die eigene Tätigkeit gibt, ohne sie missionarisch in das neue Konzept pressen zu wollen.
All diese Ansätze erscheinen mir bei Anita ungezwungen und intuitiv. Insgesamt ist sie daher für mich ein hervorragendes Beispiel für eine moderne und visionsgeleitete Führungsperson.
Ein Kommentar
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