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Partnerschaft als Autistin

Verbindung statt klassische Romantik

Partnerschaft als Autistin

Warum klassische Romantik oft nicht passt und welche Rolle Nähe, Alleinsein und Sicherheit spielen. Einblick in die Herausforderungen und Chancen einer neurodiversen Beziehung.

Vor 18 Jahren hat Linda (Name geändert) ihren Partner kennengelernt – und die Sehnsucht nach einer tiefen Verbindung war schon immer da. Es geht ihr nicht um Partnerschaft im klassischen Sinne, sondern darum, jemanden zu haben, der mit der gleichen Intensität dabei ist. Diese Art der Verbindung ist für sie essenziell, doch sie bringt auch Herausforderungen mit sich.

Besonders Sexualität ist für autistische Frauen oft schwierig, denn Sicherheit ist die Grundvoraussetzung – ohne sie ist Lust kaum denkbar. Jedoch fühlen sich autistische Menschen bei anderen Menschen selten sicher. Auch Reizüberflutung ist ein Thema: Bei Überlastung ist Sexualität das Erste, das wegfällt. Linda erinnert sich an vielleicht drei oder vier Momente in ihrem Leben, in denen das Bedürfnis nach Sexualität präsent war. Fokussiert im Moment zu bleiben, ohne dass tausend andere Gedanken dazwischenfunken, ist eine echte Herausforderung für sie als Autistin. Klassisch romantische Gesten, wie Kerzen und inszenierte Romantik, wirken auf sie eher anstrengend als ansprechend. Auch mag sie keine sanften Berührungen wie Streicheln oder Kraulen – das empfindet sie so unangenehm „wie ein Schlag“. 

Das Grundbedürfnis ist zuerst das Alleinsein. Linda müsse erst durch Zeit alleine sensorisch wieder verfügbar werden, um sich auf emotionale Nähe einlassen zu können. Erst nach Zeit alleine und emotionaler Nähe kann körperliche Nähe eine Rolle spielen. Das Problem: Dieser erste Schritt wird selten erfüllt, wodurch die anderen Schritte oft gar nicht erst möglich sind.

Ein weiteres Hindernis ist das fehlende Sicherheitsgefühl mit anderen Menschen. Damit sie sich körperlich angezogen fühlt, muss ihr Gegenüber eine starke, eigenständige und sichere Präsenz ausstrahlen. Ist das nicht der Fall, entsteht für Linda keine körperliche Anziehung.

Während Sexualität für viele neurotypische Menschen ein Ventil ist, braucht Linda für Nähe und Intimität eine viel bewusstere Herangehensweise. Jede Situation muss neu erklärt werden, weil neurotypische Partner oft nicht intuitiv verstehen, was für sie wichtig ist. Mit neurodiversen Menschen gibt es da mehr Verständnis – vieles muss nicht erst erläutert werden.

Ein Vorteil neurotypischer Partner: Sie puffern soziale Situationen und Alltagsherausforderungen oft besser ab. Sie bemerken Belastungen weniger und können dadurch Stabilität in die Beziehung bringen. Doch diese Stabilität reicht nicht aus, wenn die Grundbedürfnisse nach Rückzug, Sicherheit und Klarheit nicht erfüllt sind.

Partnerschaft als Autistin bedeutet also weit mehr als klassische Liebe oder Romantik. Es geht um Verbindung – aber unter Bedingungen, die für viele nicht intuitiv sind. Doch wenn diese Bedingungen erfüllt sind, kann eine tiefe, intensive und einzigartige Partnerschaft entstehen.

Die Diagnose

Über Autismus

Autismus ist eine neurologische Entwicklungsstörung, die sich in verschiedenen Formen und Schweregraden manifestieren kann. Es betrifft etwa 1% der Weltbevölkerung und zeigt sich bereits in der Kindheit. Allerdings wird Autismus bei Frauen oft später diagnostiziert oder übersehen, da sich die Symptome häufig anders äußern als bei Männern. Frauen mit Autismus zeigen oft weniger offensichtliche Verhaltensweisen und können ihre Symptome besser kompensieren, was zu einer späteren oder fehlenden Diagnose führen kann. 

Menschen mit Autismus kämpfen täglich mit Herausforderungen in der sozialen Interaktion, der Kommunikation und der sensorischen Verarbeitung. Diese Schwierigkeiten können zu Angst, Depressionen und einem Gefühl der sozialen Isolation führen. Voraus geht oft ein Erschöpfungszustand, der auch als „autistisches Burnout“ bezeichnet wird.

Wichtig: Autismus ist keine psychische Erkrankung, die geheilt werden kann, sondern ein neurodiverses Merkmal. Neurodiversität bedeutet hier eine alternative Variation in der Vernetzung des Gehirns im Gegensatz zu neurotypischen Menschen, deren neuronale Vernetzung mit dem Großteil der Menschen übereinstimmt. Daher brauchen autistische Menschen Unterstützung und Akzeptanz in einer Welt aus neurotypischen Menschen, die oft nicht auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist. Autismus kann eine Behinderung im Sinne von Barrieren in der Umwelt sein, die die volle Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erschweren.

Dr. Rosalie Weigand

Psychologische Psychotherapeutin

Verhaltenstherapie

Paartherapie

Derzeit praktizierend in

Rothenbaumchaussee 26
20148 Hamburg

Kontakt

weigand.therapie@mail.de

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