„…und führe mich nicht in Versuchung!“ Drei Tipps wie Du Versuchungen widerstehen kannst
Die Versuchung – Eine Situation, in der ein attraktiver verfügbarer Anreiz in Konflikt steht mit einem langfristigen Ziel. Versuchungen sind für jede Person per Definition eine Herausforderung, und der persönliche Umgang mit Versuchungen im Leben ist für den Lebensweg unglaublich ausschlaggebend. Zudem sind Versuchungen typisch menschlich, denn nur der Mensch ist in der Lage, sein Leben anhand langfristiger Ziele auszurichten. Und nur dann kann es überhaupt zu Konflikten zwischen dem langfristigen Ziel und einem kurzfristigen Anreiz, also einer Versuchung, kommen. Tiere dagegen sind nicht bereit, heute auf eine Belohnung zu verzichten, um in Zukunft mehr Belohnungen zu realisieren. Würde ein Kaninchen auf die Paarung mit einem attraktiven Weibchen verzichten, weil drei Wiesen weiter die Kaninchendame der Träume an einem Grashalm nagt? Oder würde besagte Kaninchendame nach Grashalm Nummer 5 aufhören zu nagen, um die Sommerfigur nicht zu ruinieren? Sicher nicht. Carpe diem ist sicherlich das Motto der meisten Kaninchen.
Forschung zu Versuchungen: Marshmallows und erotische Bilder
Dass Menschen Versuchungen nicht nur widerstehen können, sondern sich in der Fähigkeit, diesen Versuchungen zu widerstehen (Selbstkontrolle genannt) auch unterscheiden, weiß man spätestens seit den berühmten Marshmallow-Experimenten1. Sagt Dir nichts? Vielleicht erinnerst Du Dich an die Überraschungsei-Werbung vor einigen Jahren? Kinder bekommen ein Überraschungsei mit der Erklärung, sie könnten es sofort essen oder aber warten, bis der Erwachsene wiederkomme und dann ein zweites Überraschungsei erhalten, sofern sie das andere nicht gegessen hätten. Und Kinder unterscheiden sich in der Fähigkeit, dieser Versuchung zu widerstehen: Je besser sie dazu in der Lage sind, desto mehr Berufserfolg scheinen sie später als Erwachsene zu haben1. Das ist nicht sonderlich überraschend, denn das Konzept einer Karriere beinhaltet ja das Setzen von Zielen und das kontinuierliche Hinarbeiten auf diese Ziele unter relativer Nichtbeachtung von Störeinflüssen.
Bei Erwachsenen werden derartige Studien nicht mehr mit Marshmallows oder Schokolade durchgeführt, sondern mit Erotika. Wer sich im ersten Schritt unattraktivere Bilder ansieht, wird im zweiten Schritt mit erotischen Bildern belohnt2.
Gibt es etwas Positives an Versuchungen?
"I can resist anything – except temptation"
Oscar Wilde
Zunächst einmal ist die Existenz einer Versuchung in Deinem Leben ein Zeichen dafür, dass Du Dinge willst und das bedeutet, dass Du nicht gleichgültig bist. Also ist erst einmal die gute Nachricht: Depressiv bist Du vermutlich nicht. Außerdem ist eine Versuchung die Möglichkeit, etwas über Dich selbst herauszufinden, denn Du wirst dazu gebracht, Dir Fragen stellen und beantworten zu müssen. Daher können Versuchungen dazu führen, dass Du feststellst, wie wichtig Dir eine Sache tatsächlich (oder im Vergleich zu anderen Dingen) ist. Somit werden Deine Prioritäten, Werte und Ziele klarer. Ich persönlich mag Versuchungen auch, da sie zeigen, wie schön und verlockend das Leben sein kann und dass man in der Lage ist, das wahrzunehmen. Und manchmal ist es ja vielleicht auch berechtigt, einer Versuchung nachzugeben. Denn wie langweilig wäre denn das Leben, wenn es ausschließlich aus einer Aneinanderreihung von geplanten Ereignissen bestünde? Wenn man niemals für einen Augenblick die scheinbare Sicherheit von erfolgsversprechenden Langzeitplänen verlassen würde?
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Wie kannst Du Versuchungen widerstehen?
Auch wenn ich nun eine Lanze für Versuchungen gebrochen habe, gibt es doch Situationen, in denen es sinnvoll sein kann, diesen zu widerstehen. Wer seine Alkoholabhängigkeit überwinden möchte, sollte der Versuchung widerstehen, Alkohol zu trinken. Wenn Du Dein Studium beenden möchtest, solltest Du ein paar angenehme Aktivitäten zugunsten der Klausurvorbereitung absagen. Und wer eine ehrliche und auf Monogamie basierende Ehe führen möchte, sollte vermutlich nicht mit dem Surflehrer ins Bett gehen. Aber wie widersteht man Versuchungen?
Tipp 1
Reizkontrolle
Die beste Strategie ist die sogenannte Reizkontrolle. Das bedeutet, dass Du die Verfügbarkeit der Reize, die Dich in Versuchung bringen könnten von vornherein beschränkst. Wenn Du also keine Zigaretten rauchen möchtest, dann hab keine Zigaretten im Haus! Wenn Du Dich aufs Lernen konzentrieren möchtest, dann bitte Deine Freunde, Dich in den nächsten Wochen nicht nach Verabredungen zu fragen. Studien legen nahe, dass diese Strategie besser funktioniert, als wenn Du Dich allein auf Deine Willenskraft verlässt2.
Tipp 2
Abstraktes Denken
Menschen bewerten Ereignisse unterschiedlich und reagieren daher unterschiedlich. Wenn Du zwei Freundinnen einen Schokoriegel anbietest, kann es passieren, dass die eine ihn erfreut annimmt und die andere ihn empört ablehnt. Möglicherweise hat die erste Freundin sich das knackende Geräusch der schokolierten Nüsse beim Hineinbeißen vorgestellt, während die andere Freundin den Riegel als Zuckerbombe gesehen hat, welcher zu oxidativem Stress und einem frühen Krebstod führt. Ebenso beeinflusst die Art über Versuchungen nachzudenken Deine Fähigkeit zur Selbstkontrolle. Nämlich steigt Deine Selbstkontrolle je abstrakter Du über eine Versuchung nachdenkst3. Wenn also Dein Ziel das Bestehen einer Klausur ist und Du zu einer Party am Abend zuvor eingeladen bist, dann überlege einmal, welche Art über diese Versuchung nachzudenken zu mehr Selbstkontrolle führt:
- „Ich werde dort Felix treffen, den ich schon seit Jahren nicht mehr getroffen habe. Vermutlich sind dort attraktive Singles. Außerdem könnte ich echt ein kühles Bier gebrauchen.“
- „Das ist eine Standard-Semesterparty, von der es dieses Jahr noch drei andere geben wird. Eine typische Situation, die mich in Versuchung führt und nicht zu meinem Ziel passt.“
Auflösung: Es ist Option 2.
Tipp 3
Positive Routinen
Wissenschaftler haben Hinweise gefunden, dass Menschen mit besserer Selbstkontrolle mehr Routinen in ihrem täglichen Leben einsetzen als Menschen mit schlechterer Selbstkontrolle4. Wer zum Beispiel eine regelmäßige Schlafroutine hat oder routinemäßig zum Sport geht, hat weniger Probleme, entsprechenden Versuchungen zu widerstehen. Dementsprechend wird diese Person weniger wahrscheinlich ein Workout ausfallen lassen oder weniger wahrscheinlich abends doch noch eine Serie anmachen. Die Fragen, ob man heute zum Sport geht oder wann man ins Bett geht, stellen sich einfach nicht mehr, weil die positiven Routinen so verankert sind, dass sie keine bewussten Entscheidungen mehr verlangen.
Wenn Du also Versuchungen, die Dich von Deinem Ziel abbringen, widerstehen möchtest, ist es sinnvoll, Dir ein paar Routinen zu überlegen.
Eine kurze Zusammenfassung des Artikels findest Du auch auf meinem Instagram.
Literatur
[1] Mischel, W., Shoda, Y., & Peake, P. K. (1988). The nature of adolescent competencies predicted by preschool delay of gratification. Journal of Personality and Social Psychology, 54, 687-696.
[2] Crockett, M. J., Braams, B. R., Clark, L., Tobler, P. N., Robbins, T. W., & Kalenscher, T. (2013). Restricting temptations: neural mechanisms of precommitment. Neuron, 79(2), 391-401.
[3] Fujita, K., & Carnevale, J. J. (2012). Transcending temptation through abstraction: The role of construal level in self-control. Current Directions in Psychological Science, 21(4), 248-252.
[4] Galla, B. M., & Duckworth, A. L. (2015). More than resisting temptation: Beneficial habits mediate the relationship between self-control and positive life outcomes. Journal of personality and social psychology, 109(3), 508–525.