Die Rechtsanwältin
Im Interview
Die Rechtsanwältin
Smaro berichtet über ihren Arbeitsalltag als Fachanwältin für Arbeitsrecht. Sie beschreibt, wie sie ihren Job aktiv nach ihren Bedürfnissen geformt hat und gibt Tipps, wie man das Jurastudium am besten bewältigt.
Smaro Sideri
Über Smaro
Die eigenen Rechte zu kennen und für Gerechtigkeit zu sorgen – das war die Motivation für Smaro Sideri, sich für den Berufsweg der Rechtsanwältin zu entscheiden.
Nach ihrem Jurastudium hat sie zunächst unterschiedliche Arbeitsmodelle ausprobiert. So hat sie in einem Unternehmen begonnen, später im Verband und in einer Kanzlei gearbeitet. Bereits in ihrer Zeit im Unternehmen hat sie begonnen, die Führungskräfte dort im Arbeitsrecht zu schulen. Dabei hat sie bemerkt, wie viel Spaß es ihr macht, rechtliche Themen zu vermitteln, und bekam zudem das Feedback, die Inhalte verständlich vermitteln zu können. Im Laufe der Zeit kamen immer mehr Schulungsaufträge dazu. Seit viereinhalb Jahren ist Smaro nun in eigener Kanzlei freiberuflich sowie als Referentin für unterschiedliche Seminarinstitute tätig. Sie macht nun keine gerichtliche Vertretung mehr, konzentriert sich auf Seminare, Vorträge und Workshops sowie Rechtsberatungen.
In ihren Podcast „Mothers Comeback“ bespricht Smaro die Themen Gleichberechtigung und Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Es geht um Elternzeit, Wiedereinstieg, Kündigungsschutz und Teilzeit-Anspruch. „Ich zeige an verschiedenen Beispielen aus dem Arbeitsleben, wo etwas schiefgelaufen ist, und liefere dann Tipps. Mir geht es um Aufklärung. Außerdem möchte ich den Menschen die Hürde nehmen, eine anwaltliche Rechtsberatung in Anspruch zu nehmen.“
Ich traf Smaro zum Interview, um mit ihr über den Weg zur Fachanwältin für Arbeitsrecht, ihren Arbeitsalltag und ihre Einstellung zu Erfolg und beruflicher Erfüllung zu sprechen.
Reingezoomt
Ein Arbeitstag
„Den typischen Tag gibt es nicht. Aktuell besteht mein Arbeitsalltag zu 80 Prozent aus Seminaren und zu 20 Prozent aus Beratungen. Zum Beispiel war es diese Woche so, dass ich Montag einen halben Tag ein Online-Seminar zum Thema „Betriebsverfassungsrecht für Führungskräfte“ bei einer Firma hatte und nachmittags ein paar Beratungen. Die Beratungen führe ich telefonisch oder per Zoom durch. Dann steht diese Woche noch ein zweitägiges Seminar in Präsenz an.“
"Erfolg ist, wenn man das Gefühl hat, dass alle Lebensbereiche rund sind. Und es ist gar nicht so einfach, dass sowohl der berufliche als auch der private Bereich gleichzeitig zufriedenstellend sind."
Smaro Sideri
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Work-Life-Balance
„Ich halte viel von dem Konzept. Gerade in einem Anstellungsverhältnis ist es wichtig, dass man Feierabend macht. Im Falle einer Selbstständigkeit ist es aus meiner Sicht normal, dass sich Arbeit und Privates stärker vermischt. Ich persönlich sehe das Arbeiten auch als etwas Lebenslanges an, denn ich möchte eigentlich nicht mit 67 in Rente gehen, sondern solange es geht etwas arbeiten. Natürlich ist auch das aber stark jobabhängig. Bei körperlich anstrengenden Berufen ist das weniger möglich als bei Büroarbeiten.“
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Das Thema Traumberuf
„Ich bin schon der Meinung, dass man einen Beruf haben sollte, der einem zum größten Teil Spaß macht. Aber ich glaube, dass es bei jedem Job Anteile gibt, die einem keinen Spaß machen. Daher glaube ich, dass das Konzept eines Traumberufs, an dem alles nur Spaß macht, utopisch ist.“
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Sollte man wissen, wo man in 10 Jahren stehen möchte?
„Zehn Jahre finde ich einen sehr langen Zeitraum. Gerade heutzutage passiert in kurzer Zeit so viel. Das bemerke ich zum Beispiel, wenn ich Frauen berate, die in Elternzeit sind und anschließend in ein komplett umstrukturiertes Unternehmen zurückkommen. Grundsätzlich glaube ich, dass es gut ist, eine Idee davon zu haben, wo man sich in der Zukunft sieht. Aber ich kann für mich nicht genau sagen, was in 10 Jahren ist.“
Rechtsanwältin für Arbeitsrecht
Der Job
Wie schafft man es durch das Jurastudium?
Das Problem am Jurastudium ist vor allem, dass es keine Zwischenprüfungen gibt. Es kann also passieren, dass man viele Jahre studiert, sehr viel Zeit investiert und am Ende doch gar keinen Abschluss hat, wenn man dann abbricht oder durchfällt. Da man am Ende das Examen bestehen muss, ist es wichtig, einen Weg zu finden, den unendlichen Lernstoff zu bewältigen. Daher war es für mich persönlich zentral, selbstorganisiertes Lernen zu lernen. Leider finde ich, dass man das in der Schule nicht richtig lernt.
Außerdem halte ich es für wichtig, dass man während des Studiums frühzeitig hinterfragt, ob der Beruf wirklich etwas für einen ist. Um diese Frage beantworten zu können, hilft es, neben dem Studium in Kanzleien mitzuarbeiten, um ein Bild davon zu bekommen, wie der Arbeitsalltag aussehen wird. Daher empfehle ich, selbst aktiv zu werden und die Kanzleien anzuschreiben.
Wie sind die Verdienstmöglichkeiten als Rechtsanwältin?
Als Rechtsanwältin für Arbeitsrecht sind die Verdienstmöglichkeiten stark von den Kontextbedingungen abhängig. In einer Großkanzlei sind die Verdienstmöglichkeiten sehr gut. Dort sind Gehälter von 90 000 Euro pro Jahr möglich, allerdings ist die Arbeitsbelastung auch extrem hoch. Ebenso weiß ich, dass man als Unternehmensjurist in der Rechtsabteilung von Großunternehmen sehr gut verdient, dort sind Gehälter über 100 000 Euro jährlich möglich. Es gibt aber viele andere Möglichkeiten. Zum Beispiel kann sich im Staatsdienst verbeamten lassen und dann als Staatsanwältin ans Gericht gehen oder in die Verwaltung.
Welche Stressoren bringt Dein Beruf mit sich?
- Man hat als Rechtsanwältin immer Fristen, an die man sich halten muss. Daher arbeitet man oft unter Zeitdruck.
- Außerdem hat man viel mit Streit und angespannter Stimmung zu tun. Denn man wird in der Regel erst dann eingeschaltet, wenn es schon Streit gibt. Für mich war das ein Stressor, den ich durch meine aktuelle Berufssituation nicht mehr habe.
Welche Glücksmomente gibt es?
Mich erfüllt es mit Zufriedenheit, wenn ich sehe, dass ich jemandem geholfen habe, oder dass jemand durch die Beratung oder Schulung gestärkt ist. Leider bekommt man aber nicht immer Feedback.
Welche Eigenschaften sollte man als Rechtsanwältin haben?
- Analytische Fähigkeiten: Man sollte in der Lage sein, eine Situation zu erfassen. In der Regel wird einem nämlich nur eine Seite geschildert. Man muss dann hinter die Schilderungen blicken und das Problem erfassen können.
- Man sollte gerne lesen.
- Man braucht eine hohe Frustrationstoleranz, muss einiges aushalten können.
- Man sollte die Bereitschaft zur lebenslangen Weiterbildung mitbringen.
- Emotionale Intelligenz ist wichtig, um optimal beraten und vertreten zu können.
- Da der Beruf so vielfältig ist je nach Anstellungsverhältnis, sollte man sich auch überlegen, ob man eher einen thematisch vielseitigen oder eng umgrenzten Job möchte. Falls man die Vielfalt mag, ist das Arbeitsrecht zu empfehlen. Dort hat man mit einem Querschnitt der Bevölkerung zu tun, alles ist dabei.
Denkanstöße
Smaros Weg zeigt, wie es gelingen kann, innerhalb eines klassischen Berufsfeldes das eigene Tätigkeitsspektrum so umzugestalten, dass es den eigenen Bedürfnissen und Vorlieben entspricht. Smaro hat sich weg von der für eine Rechtsanwältin klassischen gerichtlichen Vertretung entwickelt und einen Schwerpunkt im Bereich Schulung und Aufklärung geschaffen. Das verkörpert den Geist von „New Work“, denn in der Arbeitswelt von morgen wird eine Individualisierung der persönlichen Karriere eher die Regel als die Ausnahme sein.
Smaros Mission, allen Müttern, die ihre Karierre vorantreiben möchten, die rechtlichen Möglichkeiten und Ansprüche aufzuzeigen, kommuniziert sie auf unterschiedlichen Kanälen – insbesondere ihr Podcast ist in diesem Zusammenhang zu empfehlen. Und dass sie es wirklich geschafft hat, ein für sie langfristig zufriedenstellendes Arbeitsumfeld zu schaffen, zeigt sich in ihrem Wunsch, über das Rentenalter hinaus beruflich aktiv zu sein. Smaros Beispiel hat mir gezeigt, dass es nicht nur um die Wahl eines passenden Berufes geht, sondern dass die Ausgestaltung des eigenen Karrierewegs etwas Fortlaufendes ist. Je aktiver man den eigenen Job formt, desto größer das Potential zum Traumberuf?
Kennst Du in diesem Zusammenhang schon mein Interview mit der Hotelmanagerin Anita? Auch sie verkörpert in ihrer Mitarbeiterführung zentrale Elemente von „New Work“.
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