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Die Pâtissière und Unternehmerin

Im Interview

Die Pâtissière und Unternehmerin

Anna spricht über ihre Erfahrungen aus 9 Jahren der selbstständigen Pralinenherstellung. Sie erzählt die Geschichte ihrer Pâtisserie gleem, Deutschlands erster Naturpâtisserie, spricht über die Herausforderungen als junge Unternehmerin, über Flow und die Wichtigkeit eines guten Teams. 

About

Über Anna Gliemer

Anna hat schon immer gerne gemalt und gebastelt. Doch irgendwann hat sie bemerkt, dass die Bilder, die sie gemalt hat, immer in der Schublade verschwanden. Anders war es, als sie begann, Schokolade zu bemalen. Verwandte und Freunde freuten sich sehr über die bunten Süßigkeiten und so wurde es zu einer Tradition, dass Anna schon im Alter von 10 Jahren als Pâtissière selbst gemachte Pralinen verschenkte. 

Zunächst studierte sie BWL mit Schwerpunkt Neuromarketing und Unternehmensführung. Doch als sie nach dem Studium im Agenturleben angekommen war, bemerkte sie schnell, dass der Beruf sie nicht zufriedenstellte: Zu viel Routine, zu wenig Handlungsspielraum. Während des Studiums stellte sich zudem heraus, dass Anna verschiedene Nahrungsmittelunverträglichkeiten hatte. So begann sie, ihre Pralinen glutenfrei, vegan und zuckerfrei herzustellen. Neben dem Beruf  baute sie zudem eine Webseite und testete, ob sie ihre Pralinen online verkaufen konnte. Im Jahre 2016 führte sie eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne durch, mietete 2017 ihre Manufakturräume. 

Im Jahr 2019 beschloss sie dann, alles auf eine Karte zu setzen und komplett in die Selbstständigkeit zu gehen. Es folgten zwei Jahre der Pandemie, welche jedoch für Annas Business sehr produktiv waren: Der Online-Verkauf lief hervorragend. 2021 schrieb Anna innerhalb von 10 Monaten ihr Buch „Green Table and Natural Pastry“. In diesem Basiswerk präsentiert sie 80 Rezepte und die Geschichte ihrer Manufaktur. 

Reingezoomt

Ein Arbeitstag

„Wenn ich morgens in der Firma ankomme, laufe ich erst einmal durch das Büro und die Produktion, um mir einen Überblick zu verschaffen. Eventuell stelle ich schon einmal die Schokolade zum Schmelzen an. Dann setze ich mich an meinen Schreibtisch und sondiere die Aufgaben und Mails. Dabei untersuche ich, was meine Kollegin übernehmen kann und an welcher Stelle ich selbst gefragt bin. 

Vormittags arbeite ich meist eher reaktiv, da dort viele unvorhergesehene und unplanbare Dinge passieren. Ab Mittag sind meine Tage dann strukturierter. Ich arbeite Personalpläne aus, mache mir Gedanken zu neuen Produkten und plane Blöcke ein, um am Unternehmen zu arbeiten. Den Feierabend setze ich mir mithilfe von externen Terminen wie Sport, die mich dann von meiner Arbeit wegholen.“

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Work-Life-Balance

„Ich glaube an das Konzept und setze das selbst seit letztem Jahr um – allerdings eher intuitiv. Letztes Jahr war ich an einem Punkt, an dem alles zu viel geworden ist und sich beispielsweise Gespräche mit der Familie nur noch um die Firma drehten. Nachdem ich mich dann vier Wochen rausgezogen hatte, habe ich meine Prioritäten anders gesetzt und war dann mehr in meiner Work-Life-Balance. Zum Beispiel habe ich es mir zur Gewohnheit gemacht, meine Benachrichtigungen auf dem Handy auszuschalten.“

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Das Thema Traumberuf

„Ich bin nicht der Meinung, dass jede Person ihren Traumberuf finden muss. Denn man kann seinen Job ebenso gut dafür nutzen, sich sein restliches Leben zu verwirklichen. Niemand muss seinen Job zu seinem Lebensinhalt machen. Aber ich finde auch, dass man gesegnet ist, wenn man in dem aufgeht, was man beruflich tut. Ich habe das Glück, dass das in meinem Fall so ist.“

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Sollte man wissen, wo man in 10 Jahren stehen möchte?

„Ich glaube, dass das gut ist, denn man kann dann dementsprechend seine Entscheidungen anders treffen. Wenn ich zum Beispiel in 10 Jahren einen eigenen Bauernhof haben möchte, würde ich mich heute schon anders verhalten, als wenn ich das nicht verwirklichen möchte. So ist es wichtig, einen Wunsch oder auch eine konkrete Vorstellung von der Zukunft zu haben. Und auf dem Weg dahin, kann man ja abbiegen. Meine persönlichen Visionen sind finanzielle Unabhängigkeit und das Erhalten und Versorgen meines Unternehmens.“

"Erfolg ist für mich ein Gefühl von Frieden, Vertrauen und Ruhe. Wenn ich am Ende des Tages gut schlafen kann, ist das Erfolg."
Anna

Pâtissière

Der Job

Wie wird man Pâtissière?

Anna ist nicht den klassischen Weg durchlaufen, um Pâtissière, also Fachfrau für Konditorei, zu werden. Es ist nämlich möglich, nach der Schule eine Ausbildung als Konditorin zu beginnen. Die Ausbildung dauert in der Regel drei Jahre und findet in einem Ausbildungsbetrieb, wie beispielsweise einer Konditorei oder einem Hotel, statt. Während der Ausbildung wird man in verschiedenen Bereichen der Patisserie ausgebildet, darunter Backen, Tortenherstellung, Pralinenherstellung und Dessertzubereitung. Parallel dazu besucht man in der Regel die Berufsschule. Dort erlernt man beispielsweise Grundlagen der Lebensmittelhygiene, Ernährungslehre und betriebswirtschaftliche Kenntnisse.

Wie sind die Verdienstmöglichkeiten?

Pâtissièren oder Köchinnen werden gerade händeringend gesucht. Dabei werden teilweise 500 bis 600 Euro Tagessatz veranschlagt. Als Gründerin einer Pralinen-Manufaktur sieht das Ganze etwas anders aus: Im produzierenden Gewerbe sind wir als Manufaktur nicht skalierbar. Wenn man es gut anstellt und durch verschiedene Standbeine (z.B. andere Produkte, Workshops) gut aufgestellt ist, kann man gut davon leben. 

Welche Stressoren bringt Dein Beruf mit sich?

  • Personalführung: Ich lebe manchmal in meiner eigenen Welt. Da fällt es mir dann manchmal schwer, mich um das Team zu kümmern. 
  • Termine: Diese zerstören meinen Flow. Ich brauche immer etwas Pufferzeit – gerade wenn ich kreativ bin.
  • Volatilität in den Umsätzen

Welche Glücksmomente gibt es?

  • Ein großer Glücksmoment ist die Freude, die man anderen Menschen durch die Pralinen machen kann. Denn wir erreichen durch unsere Produkte oft Menschen, die vieles sonst nicht essen können. 
  • Ebenfalls macht mich das tolle Team glücklich. Ich weiß, dass wir uns aufeinander verlassen können.

Welche Eigenschaften sollte man als selbstständige Pâtissière haben?

  • Durchhaltevermögen
  • Selbstfürsorge und Achtsamkeit
  • Reflexionsfähigkeit
  • Resilienz
"Ich wäre gerne schon früher da gewesen, wo ich jetzt bin, aber man kann den Prozess nicht beschleunigen."
Anna

Denkanstöße

Annas Beispiel zeigt zwei Dinge: Zum einen hat sie mich durch ihre Umsetzungsstärke begeistert: Der Weg von der Idee zur Tat ist bei ihr denkbar kurz. „Man kann nichts perfekt machen. Wenn man etwas nicht gleich umsetzt, tun sich viele To Do’s und Bedenken auf und dann fängt man gar nicht erst an.“  So hat sie es nicht nur geschafft, Deutschlands erste Naturpatisserie zu gründen, sondern auch ein Buch in 10 Monaten herauszubringen. 

Zum anderen überzeugt ihre Mission: Als Naturmanufaktur ist gleem nicht nur hinsichtlich der Skalierbarkeit der Produkte eingeschränkt. Die Produktion der Nahrungsmittel ist aufwändig, Anna engagiert sich für die Menschen hinter der Produktion. Alles ist nachhaltig, die Zutaten werden sorgfältigst ausgewählt. So ein Prozess dauert Zeit. Zum Beispiel ist es nicht ungewöhnlich, dass die Herstellung eines Desserts vier Tage dauert. Anna bewahrt die hohen Qualitätsstandards von gleem unter anderen durch Nebentätigkeiten. So arbeitet sie seit 2022 nebenbei als Marketingleiterin und beginnt im Sommer eine Tätigkeit als Dozentin für Unternehmenskommunikation. 

Auf die Frage, was sie durch ihren Beruf über sich selbst gelernt hat, antwortet Anna lächelnd: „Dass ich noch immer ein kleines Kind mit einem roten Luftballon in der Hand bin, welches gerne bastelt, gerne spielt und es liebt, Pralinen anzumalen.“

 

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Hier erfährst Du mehr über Anna Gliemer und gleem!

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